Interview mit Helena Ramsbacher
Unser Interview der Woche führten wir dieses Mal im Frühstückssalon des gerade eben renovierten Hotel Das Tyrol auf der Wiener Mariahilfer Straße. Uns gegenüber: die Besitzerin Helena Ramsbacher. Die sympathische Kärntnerin ist nicht nur Chefin und Eigentümerin des Boutiquehotels in Wien, sondern auch des Hotel Lemongarden in Kroatien. Bei hervorragenden Eggs Benedict (die hier “Franz Joseph” heißen), gegessen mit güldenem Besteck, unterhalten wir uns über die persönlichen Reisevorlieben der Hotelierin und über die Zukunft des Tourismus.
Frau Ramsbacher, wohin ging Ihre letzte Reise?
Ins Baskenland. Das habe ich mir bewusst ausgesucht, weil ich noch nie das Bilbao Musuem gesehen habe. Es war mir so eine Freude, weil dort nichts überlaufen war, man konnte noch so richtig das Leben der Spanier mitkriegen. Diese Pinxos-Bars in der Altstadt von San Sebastian mit Menschen aller Generationen, das hat mich schon fasziniert. Und diese Lebensfreude! Das Essen war auch eine Offenbarung. So macht Tourismus Freude. Das spanische Hinterland hat mich wieder ein bisschen mit dem ganzen Land versöhnt.
Womit bringt man Sie auf Reisen auf die Palme?
Mit Massentourismus! Wenn keine Einheimischen mehr da sind, dann mag ich nicht mehr. Dann ist das ein Ort, den ich abhake und von dem ich mit einem schlechten Gefühl wieder heimfahre. Ich möchte nicht nur unter Touristen sein.
Sie haben eine Initiative gegen Massentourismus gegründet…
Genau. Massentourismus ist ein Riesenproblem. Unternehmen wie Airbnb und Billigflieger haben das erst ermöglicht. Nun habe ich prinzipiell ja nichts gegen neue Ideen, solange es eine Wettbewerbsgleichheit gibt. Und da rede ich noch nicht einmal von den Steuern. Aber ich habe alle Vorschriften zu beachten: Brandschutzauflagen wie nichtbrennbare Vorhänge, Fluchtwege, Brandschutztüren… In den Airbnbs schaut keiner nach. Da verbrennt der Gast dann halt. Ich sag nichts gegen Private, die ihre eigene Wohnung für ein paar Wochen vermieten, wenn sie selber nicht da sind. Es geht mir um jene Betriebe, die ein echtes Unternehmen daraus gemacht haben und Mieter aus Häusern rausklagen, weil sie über Airbnb mehr Geld verdienen als mit normalen Mietern. Studenten, Senioren, Menschen mit nur einem Einkommen – die finden dann alle keine leistbare Wohnung mehr. Diese “Unternehmen” hab’ ich mir jetzt rausgesucht und gegen die werde ich auch auf Gleichbehandlung klagen. Das ist mir auch ein soziales Anliegen. Ganz abgesehen davon, dass die keine Steuern zahlen… Und: Wenn die alle Einheimischen vertreiben, weil sie sich keine Wohnungen leisten können, was bringt dann der Tourismus noch?
Wenn man sich als Touristikerin gegen den Massentourismus stellt – gibt’s da nicht viel Gegenwind von Kollegen?
Ja, sicher gibt es Gegenwind. Aber eh nur von denen, die genau das betreiben, was wir nicht wollen: Den Massentourismus. Und die sind mir wurscht. Ich bin ja nicht gegen neue Hotels, zum Beispiel. Ich bin nur gegen unbedachten und respektlosen Tourismus. Es gibt schon eine Form von Tourismus, die man bekämpfen muss, um einen Ort zu schützen. Sauftouristen, zum Beispiel. Oder Kreuzfahrtgäste, die massenhaft Orte überfluten, ihren Müll da lassen, nicht konsumieren und dann wieder verschwinden. Kreuzfahrtstourismus: JA! Aber bitte so, dass die Einheimischen was davon haben, also etwa mit Abgaben für die Städte. Die Balance muss gewahrt bleiben.
Wo sollte Ihrer Meinung nach das größte Umdenken stattfinden?
Ich verstehe alle Menschen, die die Welt sehen wollen und reisen wollen. Ich würde mir aber wünschen, dass man das bewusster tut. Muss man wirklich so oft so viel herumfliegen? Oder fliege ich lieber bewusster und halt nur einmal im Jahr? Muss man für eine Woche nach Thailand fliegen oder wäre es – wenn es denn die Arbeitssituation erlaubt – nicht gscheiter, gleich drei Wochen zu bleiben und dafür die lange Anreise nur einmal zu haben? Neu nachdenken kann man darüber, wenn es Alternativen gibt, Elektroflugzeuge zum Beispiel. Vielleicht sollte man auch seinen Radius ein wenig verkleinern und ein bisschen auch die nähere Umgebung bereisen.
Also nachhaltigeres und umweltschonenderes Reisen?
Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind große Herausforderungen, auch für den Tourismus. Und dabei kann jeder Einzelne einen Unterschied machen. Wir haben – als ein kleines Beispiel – keine Amenity Kits aus Plastik mehr, sondern wiederbefüllbare, größere Behälter. Dieses ganze single use plastic ist ja das größte Problem, aber zu meiner großen Freude wird das jetzt sowieso verboten. Wir haben den Nachhaltigkeitsgedanken bei allen Renovierungen auch immer im Kopf gehabt. Man kann auch lässig und luxuriös nachhaltig sein, Nachhaltigkeit kann auch sexy sein, nicht verstaubt.
Wir setzen auf regionale Produkte. Der Schinken ist von Thun, wir haben den Bäcker Öferl aus der Umgebung, wir machen den Schokoaufstrich und die Marmelade selber. Darum haben wir auch mit dem Frühstücksbuffet auch aus diesem Grund aufgehört. Da musst du bis zum letzten Gast ein volles Buffet anbieten. Das ist Verschwendung. Wir bieten à la carte Frühstück an, das immer frisch ist. Der Kaffee ist aus einer kleinen Rösterei in Wien, eine kleine Wiener Brauerei, ein Zweimann-Betrieb, braut unser Hundert Blumen Bier. In Kroatien machen wir das auch so. Wir vermeiden die langen Reisewege der Lebensmittel, wir produzieren und handeln regional. Bei uns ist das keine Marketingstrategie, sondern es ist mir ein Herzensanliegen. Ich mach das ja auch privat.
Ich habe ja auch gern schöne Dinge um mich, aber der Wegwerf-Gedanke macht mich so krank. Es wird nichts mehr repariert, nichts mehr weitergegeben. Der Planet hält das nicht aus! Dann lieber ein teureres, schönes Stück, das man dafür mehrere Saisonen trägt und nicht gleich wieder wegwirft nach kürzester Zeit.
Dass Ihnen Qualität ein wichtiges Anliegen ist, merkt man in beiden ihrer Hotels. Nicht nur in Sachen Ausstattung, sondern auch, wenn es um die Software, die Mitarbeiter eines Hotels, geht…
Ja! Mitarbeiter sind nicht nur unser Kapital, sondern unsere Familie. Wir haben einem jungen Mitarbeiter in Kroatien, dessen Eltern innerhalb kürzester Zeit verstorben sind, dabei geholfen, für das Begräbnis zu zahlen. Da rückt man als Betrieb zusammen. Wenn Mitarbeiter ein Problem haben oder in Not geraten, dann helfe ich immer gerne. Es ist ein Geben und Nehmen. Mir sind die Mitarbeiter mindestens so wichtig wie die Gäste. Auf die Mitarbeiter zu schauen, zahlt sich aus. Das Betriebsklima ist besser und die Gäste merken das auch. Mir ist wichtig, dass ein Bewerber Leidenschaft für diesen Job und Freude an dieser Arbeit hat. Ich würde mir halt wünschen, dass die Lehre wieder an Ansehen gewinnt. Es bringt ja nichts, wenn man eine Unmenge theoretisch gut ausgebildeter Touristiker hat, aber niemanden, der das Essen ordentlich serviert.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Generell bin ich positiv gestimmt, es gibt schon ein merkliches Umdenken, vor allem auch in der Jugend. Vieles, worüber andere Generationen nicht so sehr nachgedacht haben, ist für die einfach nicht mehr notwendig. Ein Auto zu besitzen, etwa. Aber das merkt man ja auch an sich selber. Wenn man bewusster zu leben beginnt, will man gewisse Dinge einfach nicht mehr. Wenn ich zum Beispiel in den Supermarkt gehe und sehe, wieviel Hartplastik zur Verpackung immer noch verwendet wird. Oder diese eingepackten, abgeschälten Orangen. Folierte Gurken! Das muss nicht sein. Und glücklicherweise gibt es immer mehr Menschen, die das genauso sehen.