Eigentlich ist es ja nicht nötig, das Café Bellaria vorzustellen. Schließlich ist es das älteste, durchgehend betriebene Café der Stadt. Bis ins Jahr 1870 reicht die ereignisreiche Geschichte des Lokals zurück. So diente es unter anderem als Lazarett im Ersten Weltkrieg, wovon noch heute Einschusslöcher in den Faltläden beredetes Zeugnis ablegen. Und doch ist einiges anders, seit es vor gut 2,5 Jahren David Figar und Rubin Okotie übernahmen. Der neueste Streich: Pizza im Café Bellaria.
Doch der Reihe nach
Ehe es soweit kommen konnte, waren einige tiefgreifende Maßnahme vonnöten. Die Lokalität wurde einer Kernsanierung unterzogen. Eine, die wohl längst fällig war, wie Gastronom David Figar mit einem Lächeln erzählt. Denn die alten Stromleitungen waren noch von Stoff umwickelt – der Alptraum jedes Brandschutzbeauftragten. Für die überaus gelungene Neugestaltung mit etlichen Reminiszenzen an die klassischen Wiener Gründerzeitbauten und die berühmten Vertreter der Ringstraßen-Cafés zeichneten die Gastro-Experten von BFA x KLK verantwortlich.
Kaffeehaus-Betrieb
Der Umstand, dass Umbau und Eröffnung genau in die schwierigste Phase der Pandemie fielen, hinderte das Traditions-Café nicht daran erfolgreich in neue Zeiten zu starten. All day every day ist das Motto. Und das wird gelebt. Der ideale Tag im Bellaria startet aus Gäste-Sicht mit dem preisgekrönten Frühstück, das wochentags zwischen 8 und 11 Uhr 30 erhältlich ist. Die erste Mahlzeit des Tages ist gewissermaßen Figars Spezialität. Und sie ist sogar so gut, dass sie dem Gastronomen dereinst eine Vip-Einladung ins legendäre Noma einbrachte, so begeistert war niemand geringerer als René Redzepi bei seinem Besuch. Und der muss es ja wissen, ist er doch Küchenchef des weltbesten Restaurants.
Gegen 11 Uhr 30 startet das Mittagsgeschäft. Der Wechsel von Eggs Benedict und Burrata Toast zu Tofu Bowl und Kalbs Wiener verläuft reibungslos. Zu dieser Zeit des Tages sind durchschnittlich etwa 30 % Touristen und 70 % Anrainende im Lokal. Ebenso bunt wie die gesellschaftliche Durchmischung fällt auch der Alters-Mix aus. Die Gäste sind meist zwischen 18 und 95 Jahren alt und sorgen für lebhaften Betrieb.
Pizza im Café Bellaria
Dienstag bis Samstag ab jeweils 18 Uhr ist es dann endlich soweit und die Pizzen harren ihrer Bestellung. Wer meint, die Nachfrage nach der süditalienischen Teigflade wäre bereits weitestgehend gesättigt, der irrt. Zumindest, wenn es nach David Figar geht. Und der Erfolg gibt ihm recht. So läuft das Pizza Pop-up aktuell deutlich über der Erwartungshaltung. Bei unserem Lokalaugenschein bestätigt sich dieser Eindruck. An praktisch jedem Tisch werden die neapolitanischen Köstlichkeiten genussvoll verdrückt.
Doch wie kommt es überhaupt zu Pizza im Café Bellaria? Einerseits handelt es sich bei der Pizza um des Chefs Lieblingsgericht. Andererseits sieht der Gastronom den Pizza-Trend nach wie vor als eine der lukullischen Hauptentwicklungen in unseren Breiten an. Mit Vitali Dakhino hat er auch den idealen Koch für dieses Unterfangen an seiner Seite. Der aus Odessa stammende Küchenchef zaubert einen neapolitanischen Teig, den er mit etwas Maisgrieß anreichert und 48 Stunden rasten lässt. Das Resultat ist ausgezeichnet. In der Konsistenz etwas bissfester als seine südlichen Verwandten, bildet er das ideale Trägermaterial für die teils ausgefallenen Kreationen.
Neben einigen sehr guten klassischen Varianten begeistern uns auch die ungewöhnlichen Kreationen. Bemerkenswert stimmig ist die vegane Pizza. Die hat nämlich überhaupt nichts mit dubiosen Ersatzprodukten zu tun, sondern ist mit Teriyaki-Gemüse belegt und mit Kernöl verfeinert. Außergewöhnlich und außergewöhnlich gut. Nach Lust und Laune lassen sich sämtliche Pizzen miteinander kombinieren, und im April schafft es vielleicht noch die ein oder andere weitere Kreation auf die Pizza-Karte.
Wie geht es weiter im Café Bellaria?
Ende März wird die neue Speisekarte ihren Einstand feiern. Und soviel dürfen wir verraten: Es kommen köstliche Zeiten auf die Besuchenden zu. Besonders gespannt sind wir auf die Umsetzung des italienischen Brotsalats Panzanella. Wenn die Tage länger werden, wird auch der 150 Personen fassende Schanigarten wieder vom sehr aufmerksamen und herzlichen Service voll bespielt werden. Ist David Figar nämlich einmal nicht vor Ort, übernimmt sein stellvertretender Restaurantleiter Christian Kunze gekonnt die Chef-Rolle und lässt es seinen Gästen an nichts mangeln.
Wiewohl Figars Blick in die Zukunft grundsätzlich positiv gestimmt ist, kommt er nicht umhin auf die herausfordernden Zeiten hinzuweisen, in welchen wir uns gerade befinden. Steigende Mieten, explodierende Energiekosten und erhöhte Gehälter in Kombination mit hoher Inflation und vermehrter ausgabenseitiger Zurückhaltung der Konsumierenden bilden nicht unbedingt den idealen Rahmen für die Hospitality. Ein Entlastungspaket beispielsweise über die Mehrwertsteuer wäre wünschenswert. Auf die Frage, warum er es trotzdem nicht lassen könne, antwortet er vielsagend: “Gastronom zu sein, ist einfach der schönste Beruf der Welt.”