Letzte Woche habe ich ja noch zum Thema “Prioritäten setzen” eine sehr klare Meinung vertreten, wie man hier nachlesen kann. Und dann kam aber der Sonntag und damit der achte Wings for Life World Run. Und irgendwie hatte mich eine starke FoMO erfasst und ich wollte unbedingt dabei sein. 2019 waren etwas mehr als 14 Kilometer in strömenden Regen beim Flagship Run in Wien drin. 2020 beim App Run, bewölkt und recht kühl, waren es dann sogar 19,87 Kilometer. Und weil man ja immer ein bisschen besser als davor sein will, hatte ich heuer die 21 Kilometer-Marke im Auge.
Das war, bevor der Sommer beschlossen hat, am Sonntag um Punkt 13 Uhr seinen Einstand mit wolkenlosem Himmel, gefühlten 30 Grad und keinem Lufthauch zu feiern. Aber gut, jetzt war ich schonmal nach Amstetten gefahren, hatte schonmal meine Laufsachen an und konnte nun ebensogut mein Glück versuchen. Schon nach Kilometer 1 allerdings ahnte ich, dass es die 21 Kilometer wohl nicht werden würden. Denn meine Laufstrecke führte mich fast ausnahmslos durch die pralle Sonne. Kurz wollte ich gscheit sein und bin in den Wald abgebogen, in den vermeintlichen Schatten. Nur: mittags steht die Sonne ja bekanntlich direkt über einem. Schatten war also nur ein theoretisches Konstrukt, nach dem ich mich zu diesem Zeitpunkt wahnsinnig sehnte.
Bei Kilometer 8, zu dem Zeitpunkt war ich etwas mehr als 42 Minuten unterwegs, kamen mir erste Bilder vom Aufgeben in den Sinn. Einfach gemütlich weiter zu marschieren und darauf zu warten, bis mich das Catcher Car einholt, erschien mir wahnsinnig verlockend. Doch dann kam mir ein Mitläufer entgegen. Den hätte ich auch erkannt, wenn er nicht das Wings for Life T-Shirt getragen hätte. Denn Wings for Life, das ist nicht nur “Running for those who can’t”. Das ist auch: “Running at a time you usually wouldn’t”. Aka bei 30 Grad in der prallen Sonne. Der war nicht minder – sagen wir: “sonnengeküsst” – als ich, hatte aber noch ein paar mehr Ressourcen und einen Radler als Begleitfahrzeug. “Go, go, go!” rief er mir von Weitem entgegen. Gut, also doch weiterlaufen.
Erste Gedanken an meine Mutter schlichen sich dann ein. Die wollte daheim nur noch kurz aufräumen und mich dann mit dem Rad abpassen und ebenfalls begleiten. Ausgestattet mit literweise Wasser und guten Ratschlägen. Nur: sie kam nicht. Bei Kilometer 10 ahnte ich dann schon, dass ich sie nicht abgehängt hatte, sondern ihre Abwesenheit eher mit einem technischen Issue in Sachen Strecken-Tracking zu tun hatte. Ich lief also allein und sehnte mich nach meiner Mama. Bei Kilometer 12 hatte ich mich selbst diagnostiziert: Hitzetod aufgrund von – äh – Hitze halt. In Gedanken hatte ich schon meine Besitztümer aufgeteilt. Das ging zugegebenermaßen schnell, ist ja nicht soviel da. Gerade bevor ich beschloss, in den Schatten unter einen Busch am Straßenrand zu taumeln und dort mein Leben auszuhauchen, kam mir mein Cousin entgegen. Frisch wie der Tag sah der aus. Der ist aber auch hauptberuflich Triathlet. Blöße wollte ich mir auch keine geben, also lief ich weiter. Das Catcher Car kam näher.
Nun bin ich in meinem Leben schon weit mehr und sehr oft mehr als 12 Kilometer gelaufen. Das war also nicht das Problem. Aber noch nie war ich auf die Idee gekommen, mittags im Sommer mehr zu tun als von einem Cocktail zu nippen und mich auf einer Luftmatratze im Pool treiben zu lassen. Im Prinzip bin ich ab Kilometer 12 nur noch weitergehoppelt, weil ich ja irgendwie heimkommen musste und mich zu dem Zeitpunkt in der Pampa von Amstetten befand. Bei Kilometer 15 hat mich dann Catcher Car eingeholt und ich war aus dem Rennen, einen Kilometer, bevor ich daheim gewesen wäre. Und viele, viele Kilometer, bevor mein Ziel erreicht war. Daheim dann: ein Bier und: “So einen Scheiß mach ich nie wieder!”. Um 18 Uhr öffnete die Anmeldung für den Wings for Life 2022. Meine Startnummer ist 2571.