Während sich die Beauty-Industrie krampfhaft darum bemüht, etwas zu finden, das mit ein paar Schmierern Creme 10 Lebensjahre aus dem Gesicht tilgt, habe ich ungeplanterweise herausgefunden, wie man in nur 10 Sekunden um ganze 10 Jahre altert. Graue Haare färben – für Anfänger! Ich weiß jetzt, wie man ungefähr 20 vollfarbige Haare sofort weiß kriegt. Zugetragen hat sich das vor kurzem; das Zauberwort ist “Schock”. Und das kam so:
Es war einer dieser verregneten, besonders kalten und stürmischen Morgen, wie sie eben – Klimawandel sei Dank – im Mai in Wien typisch sind. Die Temperaturen bewegten sich so um die 6 Grad, es war Novembergrau und aus den Wolken fielen keine Regentropfen, sondern ganze Badeseen. Ich stand unter der Dusche und hasste das Leben. Und genau dann, als ich dachte, dass es wenigstens nicht noch gschissener werden kann, läutete es an der Tür. Die Post! Mit dem Paket, auf das ich schon mega dringend wartete. Ich schnappte mir also mein Badetuch, drückte auf den Türsummer und lief raus aus der Wohnungstür, um dem Postler die Haustür aufzusperren. Ich tropfte, mir war kalt, ich war im Prinzip noch plitschnass. Der Postler, wahrscheinlich einiges gewöhnt, zuckte nichtmal mit einer Wimper. “Dringendes Paket?” fragte er. Ich so: “Mhm.”
Und in dem Moment, in dem ich meine Unterschrift auf sein Kastl male, fällt hinter mir die Wohnungstür mit einem Knall zu. Mir wird klar, dass ich quasi nackt im Flur steh, nichtmal mein Handy dabei habe. Und die einzige Frau, die ebenfalls in meinem Haus wohnt, nicht daheim ist.
Der Postmann blickt mich schockiert an.
Ich blicke den Postmann schockiert an.
Er fragt mich: “Haben Sie einen Schlüssel?”
Ich: “Nein…” Mit ungläubig aufgerissenen Augen.
Er: “Was machen Sie jetzt?”
Ich: “Keine Ahnung… das Schlafzimmerfenster ist offen… vielleicht kann man da rein…”
Der Postmann sagt: “Okay” – und weg war er. Nie wieder gesehen.
Ich stehe nass und immer noch tropfend, dafür aber mit meinem Paket in der Hand, im Flur. Während ich die Haustür zusperr, wird mir klar, dass ich nicht durchs Schlafzimmerfenster einsteigen kann. Denn ich wohne zwar im Erdgeschoss, aber der Garten ist abfallend, das Fensterbrett ist unerreichbar irgendwo auf der Höhe meiner Stirn. Und wenn mich die Altersheimbewohner von gegenüber beobachten und ich beim Einsteigen mein Handtuch verlier – nicht auszudenken. Ich grüble, bin verzweifelt, fühle, wie meine Haare weiß werden, ich um 10 Jahre altere und die Verzweiflung – oder Erkältung – in meine Knochen kriecht. Und während ich da so wie angewurzelt steh und fast weine, realisiere ich langsam, was ich in der Hand halte. Einerseits mein lang erwartetes Paket. Andererseits: Den Wohnungsschlüssel. Den ich beim Rauslaufen noch schnell mitgenommen hatte. So glücklich war ich noch nie in meinem Leben. Und ich bin ein Happy Hippo!
Euch eine Woche ohne Schockerlebnisse,
Claudia