Tunesien Roadtrip: Sand im Getriebe der Gedankenmaschine
Djerba – Tunis/Tunesien. Meine letzte größere Reise vor dem Lockdown im Frühling 2020 ist heute auf den Tag sieben Monate her. Es war ein Tunesien Roadtrip zwischen einer Million Sterne und fünf. Zwischen Stadt und Sand. Zwischen Luxus und Abenteuer. Einer, der mir aus vielen Gründen für immer in Erinnerung bleiben wird.
“Es ist der große Wagen. Oder doch eher die Autobahn”, sagt Kollege Klaus und zeigt in den Himmel. Seine Zigarette glimmt in der Dunkelheit, als er an ihr zieht. Ich muss kichern. “Und hier, das ist der Gürtel vom Orion oder so. Stau am Gürtel…” Während er schelmisch grinst, breche ich in schallendes Gelächter aus. Es tut gut. Zu diesem Zeitpunkt habe ich schon lange nicht mehr so ausgiebig gelacht. Ich mache damit weiter, bis mir die Tränen kommen. “Ich könnt ja mal googeln…” sagt er und ich bemühe mich nicht mal mehr, die KollegInnen in den umliegenden Zelten nicht zu wecken. Unsere Handys sind nämlich schon seit dem Moment, als wir vor gefühlten Ewigkeiten unser Hotel in Djerba verlassen haben, nichts weiter als Fotoapparate und Uhren. Es ist ein perfekter Moment – der erste von mehreren – auf einer Reise, die uns alle auf vielfältige Art berührt hat.
Von Djerba nach Matmata
Begonnen hat unsere Reise vor einem Tag in Djerba. Das fühlt sich in diesem Moment aber ganz weit weg an: der Flug von Wien nach Tunis und dann weiter nach Djerba. Die Einreise, bei der wir in einer dichtgedrängten Traube aufs Fiebermessen gewartet haben und uns noch über dieses seltsame Virus lustig gemacht haben. Little did we know… Die Anreise im Jeep, zuerst über holprige Straßen, die irgendwann gar nicht mehr da waren und Sandpisten wichen: erstmal vergessen, spüren werden wirs erst morgen. Und auch unser Alltag ist ganz weit weg. Über uns: Millionen von Sternen. Rund um uns: sehr viel Sand, Weite, 46 Wohnhzelte, ein Verpflegungszelt und ein Lagerfeuer, das nur noch schwach dahinglimmt. Wir sind im Camp Mars in der Sahara.
Als wir uns an diesem Abend schlafen gehen, haben wir schon so viel erlebt, dass ich meine, schon länger als nur einen Tag unterwegs zu sein. Unsere Reise an der tunesischen Ostküste begann in Djerba. In Jeeps ging es über endlos scheinende Straßen hinauf ins Berberdorf Matmata. Nicht nur wir als Pressegruppe interessieren uns für die traditionellen Erdhäuser, in denen immer noch etwa 2.500 Wohnen, sondern auch Filmtouristen. Seit das Hotel Sidi Driss 1976 als Drehort für “Episode IV” aus dem “Krieg der Sterne Epos” diente, kommen sie immer häufiger hierher. Nicht alle Einwohner finden es toll, wenn plötzlich Touris vor ihren Höhlen stehen. Es ist daher ratsam, Matmata mit einem erfahrenen Guide zu besuchen. Dann hat man auch eine Chance, die Erdhäuser betreten zu dürfen.
Unsere Gruppe wird von Fatma empfangen. Sie spricht kein Wort Englisch, Deutsch sowieso nicht. In “Touristisch” ist sie aber einsame Spitze. Sie zeigt uns die Höhlen, die rund um einen nach oben offenen Hof angeordnet sind. Eine dient als Küche, eine ist ein Wohnzimmer – sogar mit Fernseher. Und in einem anderen schläft sie. Fatma lässt uns fotografieren, posiert mit uns und serviert dann noch Brot und Olivenöl. Sie ist Profi, gratis sind ihre Dienste natürlich nicht. Die Dinar, die wir ihr geben, hat sie aber in jeder Hinsicht verdient.
Mit Vollgas ins Nichts
Wir wechseln kurz darauf unsere kleinen Touribusse gegen geländetaugliche Jeeps. Die versierten Fahrer finden ohne Navi, Wegzeiger oder sichtbare Straßenverläufe ins Camp Mars. Wahrscheinlich dienen die hohen Dünen als Landmarks. Nicht nur, weil sich die Tour teilweise auf den Magen schlägt, bleiben wir immer wieder stehen. Wir genießen die unglaubliche Weite und Stille immer wieder aufs Neue. Einmal spaziert eine Kamelherde mit seinem Nachwus an uns vorbei. Das Wüstenidyll ist perfekt. Tunesien Roadtrip
Im Camp angekommen, erwartet uns schon Riad Mnif. Er hat dieses besondere touristische Angebot im Jahr 2000 gemeinsam mit seiner Frau Célia ins Leben gerufen. Die Zelte sind mit Trockentoiletten, bequemen Betten und Kerzen ausgestattet. Es gibt Verpflegung, Wein, Lagerfeuer, Sonnenauf- und -Untergänge, die selbst uns Weitgereiste beeindrucken. Der Luxus, nicht erreichbar zu sein, ist alles, was wir brauchen. Die Wüste hat mich immer schon fasziniert, weil sie mit Nichts vermag, viel Leere zu füllen. Und hier, inmitten der Sahara, hat sie das auf ganz besondere Weise getan. “…Sand im Getriebe der Gedankenmaschine…” Die Zeilen von Thomas D. aus “Liebesbrief” gehen mir nicht mehr aus dem Kopf.
Von Millionen Sternen zu fünf
Es ist seltsam, aber so ganz ohne künstliche Lichtquellen und Außengeräusche wachen wir fast von selbst auf, als es draußen heller wird. Zeit ist irgendwie nur noch relativ. Mein Handy-Akku hat auch schon aufgegeben. Bevor es nach dem Frühstück weiter nach Tozeur, rund 136 weiter nördlich geht, klettern Klaus und ich noch einen Berg in der Nähe. Auf der Suche nach einem Geocache (GC1TEDW), von dem wir erst oben bemerken, dass er am nächsten Bergplateau ist. Der Aufstieg war dennoch überaus lohnenswert, denn der Ausblick von oben ist atemberaubend (das war der Aufstieg übrigens auch!).
Der Weg nach Tozeur ist einer, der erst allmählich vor uns auftaucht. Denn zuerst arbeiten sich die Jeeps wieder über Dünen, irgendwann wird die Gegend flacher und wir befinden uns auf etwas, das langsam zu einer echten Straße wird. Es ist die Dammstraße, die seit 1979 über den Chott el Djerid führt. Das ist Nordafrikas größter Salzsee. Noch immer sieht man neben der Straße jene Palmwedel im Sand, die vor dem Bau der Straße Wanderern, Kameltreibern und seit dem 20. Jahrhundert auch Autofahrern als Orientierung dienten.
Der See ist fast immer ausgetrocknet. 100 mm Niederschlag und bis zu 50° C Grad im Sommer sorgen dafür. Vereinzelt sieht man Salzlaken, die pink scheinen. Daran sind Bakterien schuld. Hier solltet ihr unbedingt für einen Zwischenstopp stehenbleiben. Das Gefühl, von 5.360 km2 Ebene umgeben zu sein, ist einfach unglaublich. Fatamorganas, ein paar alte Boote und die Salaken sind recht pittoresk. Wir haben die Pause für ein bisschen Yoga und Stretching genutzt. Wahrscheinlich kommt euch der Ort aber auch aus Film-, Literatur oder Fernsehen bekannt vor. Hier drehte man Episoden für alle drei Teile der Star Wars Filme. Und Karl May schrieb über die Durchquerung des Salzsees.
In der WLAN-Oase
Nach gefühlten Ewigkeiten auf unserem Tunesien Roadtrip ändert sich die Szenerie draußen abermals. Langsam tauchen Häuser in der Ferne auf. Unser Ziel ist das Luxusresort Anantara Tozeur. Das hat erst im Dezember 2019 eröffnet. Es liegt an den Ausläufern des Chott el Djerid und besteht aus mehreren freistehenden Gebäuden in maurischer Bauweise. Von fast überall öffnen sich große Glas- oder Fensterfronten und geben den Blick auf die umliegende Wüste frei. Hohe Räume, kühle Steinböden und Begrüßungscocktails empfangen uns.
Das Gefühl, als ich danach in meiner Villa unter der Regendusche stehe, ist unbeschreiblich. Der Sand der letzten Tage und der Staub der Jeeptour verschwinden im Abfluss. Was bleibt, ist ein Gefühl absoluter Zufriedenheit. Ich gönne mir den Luxus, noch länger nicht erreichbar zu sein. Schließlich habe ich die Menschen, die genau verstehen, wie es mir geht, weil sie genauso empfinden, bei mir. Also halt nicht in der Dusche, sondern in den Villen neben meiner. Jede davon ist übrigens ein designtechnisches Meisterwerk.
Gefühlte 100 Quadratmeter, ein Dyson Föhn, freistehende Badewanne mit einer Trennwand zum Schlafzimmer, die sich entfernen lässt, ein Boxspringbett zum drin austoben, einkuscheln und träumen, Kaffee Ende nie und Bier im Kühlschrank. Herz, was willst du mehr? Vielleicht eine Spa-Behandlung im Hammam? Gibt’s. Abendessen im Zelt mit Blick auf die Wüste? Kannst du haben. Dinner bei Kerzenlicht? Hatten wir! In einem von mehreren fantastischen Restaurants des Ananatara Tozeur Resorts. Ich will in diesem Moment nirgendwo anders sein, mit niemand anderem. Ich blicke in die Runde und beschließe, das WLAN noch ein paar Stunden länger ausgeschaltet zu lassen. “Jetzt und hier ist genug…” – wieder ist Thomas D. in meinem Hirn. Tunesien Roadtrip
Zurück in den Alltag
Bevor wir von Tunis wieder zurück nach Wien fliegen, geben wir uns natürlich auch noch ein kleines Touri-Programm. Wir halten an Souks, kaufen Gewürze und spazieren durch Tunis. Als dann schließlich das Land unter uns immer kleiner wurde und wir es aus dem Flugzeug betrachteten, ging eine Reise zu Ende, die lang nachgewirkt hat. Und sie tut es immer noch.
Ein paar Informationen zum Schluss
Camp Mars: www.camp-mars.com, Nacht ab ca. 62 Euro/Person
Anantara Tozeur: www.anantara.com/de/tozeur/, Nacht ab 126 Euro/Zimmer
Die beste Reisezeit für diesen Trip ist zwischen November und März. Die Nächte in der Wüste sind trotz warmer Betten kalt, unbedingt mehrere lange Schichten einpacken! Transfers von Tozeur oder Douz und individuelle Touren können direkt auf der Camp Mars Website gebucht werden. Tunesien Roadtrip
Allgemeine Informationen zu Tunesien: www.discovertunisia.com
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