Hallstatt im Herbst: Romantik am See
Hallstatt/Oberösterreich. 754 Einwohner, aber 1 Million Touristen. Das, was den Ort einst so besonders machte, nämlich seine Idylle und das pittoreske Dorfbild, war lange Zeit nur ein Gerücht. Indem sie es fanden, zerstörten Touristen nämlich genau das, was sie suchten. Hallstatt im Herbst – ein Lokalaugenschein.
Idylle am See
2019 stieg Hallstatt auf die Notbremse. Damals verkündete man, statt der damaligen bis zu 80 Busse und mehr pro Tag nur noch 54 Busse in den Ort zu lassen. Als Timeline war der 1. Mai 2020 vorgesehen, jetzt ist es ab diesem Herbst soweit. Der Schritt wurde notwendig, weil sich zuvor an manchen Tagen bis zu 10.000 Menschen durch die Welterbe-Gemeinde gedrängt haben. Wer schon einmal vor Ort war, weiß, was das heißt. Da ist nichts mehr mit Durchkommen. Und Privatsphäre für BewohnerInnen? Nada. Niente. Man kennt die Geschichten von den vornehmlich asiatischen Touristen, die dann schonmal im Wohnzimmer stehen und fragen, wo in diesem Museum denn das Klo sei.
Aber warum ist Hallstatt eigentlich vornehmlich bei BesucherInnen aus Fernost so beliebt? Angeblich, weil es einfach so schön ist. Und das stimmt ja auch. Die typischen Häuser mit ihren Holzbalkonen sind oft nur über lange Treppen erreichbar, sie sind schmuck, verfügen über hübsche Blumenbeete und sehen ein wenig verzaubert aus. Wir verstehen es ja irgendwie. Wir verstehen aber auch die Einheimischen. Denn einerseits ist es dank der Besucherströme und dem Geld, das die Touristen bringen, möglich, die alten Häuser in Schuss zu halten und Arbeitsplätze zu schaffen. Aber andererseits kann es eben auch zuviel werden. Für einen kurzen Moment blieb im Frühling dieses Jahres der Touristenasturm aus. Lockdown. Aber nur kurz.
Beliebtes Ausflugsziel bei den ÖsterreicherInnen
Dann kamen nämlich die ÖsterreicherInnen. Viele, die noch nie in Hallstatt waren, nutzten die Gelegenheit, sich auch endlich mal hinzuwagen. Andere kannten es bisher nur “mit Chinesen überfüllt”, wie uns Alois B. erzählt, den wir am Dorfplatz treffen. Und es stimmt, ausländisch aussehende Touristen treffen wir an diesem Herbsttag in Hallstatt wenige. Die Parkplätze sind voll, aber nicht überfüllt. Auf den Autos: vornehmlich Kennzeichen aus Österreich, ein paar aus Deutschland. Wir beginnen unseren Lokalaugenschein mit einer Bootsfahrt.
Die Gäste und wir tragen MNS, es wird auf genügend Abstand zueinander geachtet. Und während wir über den fast schwarz scheinenden See gleiten und uns der Kapitän aus dem Lautsprecher Interessantes zur Geschichte des Ortes erzählt, können auch wir uns seiner Schönheit nicht entziehen. Die Häuser kleben an den Hängen, zwei Kirchtürme ragen in den Himmel und wir schießen eine Million Fotos. Sollt ihr eine Bootsfahrt in Hallstatt machen? Unbedingt! Steigt am besten am Dorfplatz aus und wandert von da hoch zum Friedhof und zum Beinhaus.
Sehenswürdigkeiten in Hallstatt
Beinhaus? Jep. Das ist genau das, wonach es klingt. Es handelt sich um ein Häuschen, bis oben hin gefüllt mit menschlichen Knochen und Schädel. Was im ersten Moment gruselig klingt, war aus der Platznot vor Ort geboren. Denn musste ein Grab für ein neues Begräbnis wiederverwendet werden, wurden die Schädel und Knochen des “Vormieters” ausgegraben, gereinigt, die Schädel bemalt und beschriftet und ins Beinhaus gebracht. Rund 600 solcher Schädel könnt ihr in dem kleinen Häuschen oben bei der Michaelskirche noch sehen. Natürlich starben mehr Menschen als nur die, deren Überreste im Beinhaus zu sehen sind. Diejenigen, die ins Beinhaus gebracht wurden, stellten nur eine kleine Auswahl dar. In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts gab es nur wenige Schädelbeisetzungen im Beinhaus.
Vor der Kirche könnt ihr den Friedhof mit der wohl schönsten Aussicht Österreichs bewundern, gleich nebenan liegt die Michaelskirche. Im Inneren steht der barocke Michaelsaltar aus dem Jahre 1612. Sehenswert ist auch das Butzenscheibenfenster im oberen Stockwerk mit seinem gotischen Glasgemälde. Vom Friedhof führt der ca. 30-minütige Spaziergang “Über den Dächern von Hallstatt” zu wunderschönen Plätzen. Und ein Geocache (GC6HY3K) liegt auch in unmittelbarer Nähe. Apropos Kirche: die spätgotische Katholische Pfarrkirche Maria Himmelfahrt könnt ihr auch besuchen.
Quasi um die Ecke vom Dorfzentrum findet ihr das Museum Hallstatt mit vielen Fundstücken aus der Hallstattzeit und einem Geocache fast vor der Tür (GC5FXBJ) Mit der Salzbergbahn könnt ihr hinauf zum hallstattzeitlichen Gräberfeld und zum Salzstollen – dem ältesten der Welt – fahren. Da oben gibt’s auch den Hallstatt Skywalk. Von der Aussichtsplattform, 360 Metern über den Dächern des Ortes, habt ihr den perfekten Ausblick auf die UNESCO-Welterberegion.
Essen und trinken in Hallstatt
Was uns ehrlich freut: wir hatten schon das Schlimmste – also überteuerte Speisen in minderwertiger Qualität – erwartet. So, wie man das zum Beispiel von Venedig teilweise kannte. In Wahrheit kann man aber in Hallstatt gut essen, ein bisschen mehr als in anderen Städten muss man dafür aber schon auf den Tresen legen. Während unseres Aufenthalts waren durchaus viele Menschen unterwegs, aber es war kein Gedränge, es war nicht unangenehm, es gab Stiegen, Plätze und Orte, an denen wir komplett alleine waren. Ich kenne den Ort auch anders und muss sagen, dass es für mich ein schönes Erlebnis war, Hallstatt ohne in Gruppen auftretende Touristen zu sehen. Individualtouristen sind nie das Problem. Es sind immer Touris, die in Herden auftreten, die nerven.
Aus der Psychologie gibt es dazu den Begriff der Verantwortungsdiffusion. Kurz und vereinfacht ausgedrückt: Je mehr Menschen anwesend sind, desto weniger fühlt sich der Einzelne dazu bemüßigt, Verantwortung für etwas zu übernehmen. Der Gruppentourist schmeißt seine Plastikflasche eher einfach auf den Boden, als der Individualbesucher. Er latscht eher in eine Privatgarten und ignoriert herrschende Regeln und Normen eher. Die Bustouristenscharen einzuschränken ist unserer Meinung nach ein guter Weg, weiterhin Tourismus zu ermöglichen, dafür aber nicht die Identität eines Ortes opfern zu müssen. Schon jetzt gibt es nämlich nur noch wenige Einheimische, die es attraktiv finden, vor Ort zu wohnen. Und ohne Einheimische degeneriert jeder Ort zur Kulisse. So wie das Hallstatt in China.
Weitere Informationen: www.salzkammergut.at
Video: fekete_photo