Was bringt Pilgern? Einige von euch wissen ja, dass ich ein Buch geschrieben habe. (Für die, die es nicht wissen: Ich habe ein Buch geschrieben. Es heißt “Vegetarisch mit Speck – Geschichten vom Verreisen” und ist echt witzig. Hier könnt ihr es bestellen!) Eines der Kapitel, auf das ich am häufigsten angesprochen werde, ist jenes zum Thema “Pilgern”. Im Buch trägt es den klingenden Namen “Highway to Hell Mariazell”. Es geht darin – kurz zusammengefasst – um meinen ersten Versuch, die 77 Kilometer zwischen meinem Elternhaus in Amstetten und der Basilika Mariazell in der Steiermark zu Fuß zurückzulegen. Und was soll ich euch sagen… es war wirklich kein sehr schönes Unterfangen. Es liest sich dafür umso witziger.
Drei Jahre später, fast genau auf den Tag. Ich rauche seit drei Jahren nicht mehr – nicht einen Zug habe ich aktiv seither genommen. Seit nunmehr zwei Jahren laufe ich regelmäßig, seit etwa einem Jahr intensiv. Als ein Freund von mir nach der Lektüre meines Buches beschloss, ebenfalls die Fußwallfahrt zu wagen, war ich auch sofort re-inspiriert. Er ging mit seiner Mama am Sonntag nach dem Muttertag. Ich freute mich über die regelmäßigen Updates, die er schickte und wurde immer gieriger darauf, mich ebenfalls wieder auf den Weg zu machen. Dass ich die Strecke schaffe, wusste ich ja schon. Jetzt ging es darum, sie so schnell wie möglich zu schaffen. Letztlich brauchte ich für die 77 Kilometer 12 Stunden und 33 Minuten. Ich ging um 22 Uhr von daheim los und kam nächsten Tag pünktlich zum Läuten der 11 Uhr Glocken bei der Basilika an.
Aber was bringt Pilgern nun? Vor allem, wenn man es – so wie ich – nicht unbedingt religiös motiviert tut? Schnallt euch an, lehnt euch zurück, ich habe nämlich ein paar Erkenntnisse gehabt, die ich gerne mit euch teile. Wahrscheinlich oder vielleicht sind euch die nicht neu. Für mich waren sie das schon. Hier also meine Liste zum Thema “Was bringt Pilgern”. Ode anders: 5 Dinge, die ich beim Pilgern gelernt habe.
1.) Wer schneller ankommen will, muss schneller gehen
Klingt logisch, nicht? Ich bin rund 35 Kilometer der Strecke gelaufen. Es kostet durchaus Überwindung, nach 30 Kilometern Fußmarsch dann 10 Kilometer im Lauftempo zu absolvieren. Aber: es tut gut. Es tut gut, weil etwas weiter geht, weil die Bewegung eine andere ist, andere Muskelgruppen beansprucht werden. Man muss sich nur überwinden. Aufs Leben umgelegt heißt das: Unangenehmes, Kompliziertes, Aufwändiges wird ab sofort gleich erledigt – dann ist es schneller vorbei.
2.) Wenn man das Ziel kennt, muss man nicht den ganzen Weg sehen
Mein Ziel war klar. Allerdings bin ich rund die Hälfte des Weges in Dunkelheit gegangen und gelaufen. Ich hatte nur mein Runners Light (eine schamlose Werbung an dieser Stelle, für die mich aber niemand zahlt) als Lichtquelle, denn meistens ging es durch Wald und Wiese. Und ich wusste, wo ich hinwollte. Da muss man nicht den ganzen Weg vor sich sehen. Es reicht, wenn man weiß, wie die nächsten paar Meter aussehen. Manchmal ist es sogar besser, wenn man nicht sieht, was einen weiter vorne erwartet.
3.) Angst hält auf
Eine Reaktion, die ich neben Glückwünschen danach am häufigsten bekommen habe, war: “Hattest du denn keine Angst, so allein in der Nacht?” Die Frage ist interessant und ich verstehe, wo sie herkommt. Klar, Vorsicht schadet nie, aber: auch Vertrauen braucht es im Leben. Denn wäre ich aus Angst daheim geblieben, wäre ich nie angekommen. Ich hätte mir selbst ein wertvolles Erlebnis genommen. Sicher, man muss aufmerksam sein, das Handy in der Hand zu haben, wenn man durch dunkle Ortskerne marschiert, schadet auch nie. Und mit den Geräuschen der nächtlichen Natur bin ich vertraut, die haben mir noch nie Angst eingeflößt.
4.) Umdrehen ist keine Schande, Ignoranz schon
Es gibt nach Randegg seit neuestem einen asphaltierten Radweg. Die alte Strecke führte einen Schotterweg entlang. Ein Schild bat an der Abzweigung: “Bitte den neuen Radweg benutzen”. Ich ignorierte es und lief weiter. Es kam eine Absperrung mit dem erneuten Hinweis: “Bitte den neuen Radweg benutzen”. Ich ignorierte es und lief weiter. “Was soll schon sein, der alte Weg wird ja nicht plötzlich aus sein”, dachte ich. Tja. Er war plötzlich aus. Da, wo einst eine Brücke war, klaffte ein Loch. Ich drehte widerwillig um. Dabei erinnerte ich mich, dass mir mein Freund Geri, der eben letzte Woche hier unterwegs war, eine Sprachnachricht geschickt hatte, die ich seit mehr als einer Stunde ignoriert hatte (Akku schonen). Jetzt hörte ich sie doch an. “Claudia, pass auf, da nach Randegg musst du unbedingt am neuen Radweg bleiben, sonst stehst du vor einem Abgrund…” Ächz. Dass man im Leben mal umdrehen muss, kommt vor. Das allein ist aber keine Schande. Manchmal lohnt es sich aber auch, Ratschläge anzunehmen.
5.) Perspektivenwechsel hilft
Einen großen Teil des Weges habe ich mit insgesamt drei Blasen an den Füßen zurückgelegt. Als ich merkte, dass da eine kommt, fand ich das natürlich ziemlich nervig. Und schmerzhaft. Aber dann dachte ich nach – dazu hatte ich ja Zeit genug. Dabei ist mir aufgefallen, wie nett das eigentlich von meinem Körper ist: macht der da einfach ein Kissen hin, wo es weh tut. So kleine Wölkchen, auf denen ich dahinschritt. Klingt blöd, aber ist wahr: mind over matter. Schon ging’s wieder etwas leichter.
So, jetzt ist aber Ende hier. Wenn ihr es bis hierher geschafft habt, Congratulations. Das waren immerhin 880 Wörter. Vielleicht kann ich euch ja auch zum Pilgern inspirieren, ich geb’ euch gern Tipps. Jetzt aber eine schöne Woche euch,
die Frau Hilmbauer