Harold Fry wollte eigentlich nur einen Brief zum Postkasten bringen. Doch dann ist er einfach weiter gegangen – und drei Monate später hatte der Spontanpilger 800 km zu Fuß zurückgelegt und war am anderen Ende Englands angekommen. Das ist jetzt kein Tatsachenbericht, aber der Inhalt des wahnsinnig zauberhaften Buches “Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry”. Es ist zauberhaft und zeigt vor allem so schön, dass man oft nicht wirklich einen Plan braucht. Und dass bei genügend Willenskraft auch die Ausrüstung zweitrangig ist. Der Weg entsteht halt in vielen Fällen auch erst unterwegs. Wandern ist deswegen etwas, was man meiner Meinung nach immer und überall machen kann. Wandern in Wien ist besonders schön – selbst, wenn man sich nicht an die vorgegebenen Stadtwanderwege hält, sondern einfach drauflos geht. Oder eigentlich: vor allem dann.
Am Wochenende hat uns unsere Spontanwanderung von Ottakring quer durch die Bezirke 16, 17, 18 und 19 hinauf auf den Nussberg geführt. Planlos wie Spaziergänger, aber in angemessenem Wandertempo haben wir die Architektur unterwegs bewundert, uns unterwegs mit Kaffee versorgt und uns schließlich auf einer Decke mitten im Weingarten niedergelassen. Von da oben hat man herrliche Ausblicke über Wien und die passende Weinbegleitung dazu ist hyperregional. Schließlich sitzt man zwischen den Weinstöcken, aus denen letztlich die edlen Tropfen werden. Tipp: Wieninger am Nussberg. Es war heiß, es war schön, es war ein Vorgeschmack auf den Sommer.
Ein paar Dinge, die ich während dieses Ausflugs, der dann bis spätabends dauerte, gelernt habe:
– Auch in unseren Breitengraden ist Sonnenbrand im April durchaus eine reale Möglichkeit
– Mit Panorama trinkt es sich schöner
– Keine Pizzeria der Stadt liefert hinauf auf den Nussberg
– Wenn du mal oben bist, musst du halt auch wieder runter
Wandern in Wien ist jedenfalls eine recht lustige Angelegenheit, vor allem dann, wenn man einfach irgendwohin geht, ohne so recht einen Plan zu haben. Das ist fix. In drei Wochen allerdings steht wieder eine echte Pilgerreise an, von Amstetten nach Mariazell. Aber selbst als erfahrene Pilgersbraut braucht es dafür dann doch etwas mehr Vorbereitung als nur eine Picknick-Decke. Wart ihr schonmal pilgern?