„Ich laufe mit großem Enthusiasmus durch die öden Gegenden der Welt und begeistere mich für Brachen und den einen oder anderen ungestört ausgelebten Wahn. In der Provinz nämlich erlebt man ein Land in meist ziemlich unverstellter Form“, schreibt Andrea Diener in ihrem Buch „Ab vom Schuss – Reisen in die internationale Provinz“. Frau Diener weiß das, denn als Redakteurin, Journalistin und Fotografin ist sie viel in der Welt unterwegs. Wenn es heißt „Wer will in die innere Mongolei um eine Wurstfabrik zu besuchen?“ hat sie schon ihren Koffer gepackt. Im Interview der Woche erzählt die sympathische Deutsche mit der angenehmen Stimme, wie sie privat verreist und wo sich die schönsten Provinzen finden. Ihre Reiseberichte erscheinen regelmäßig in der FAZ, außerdem erzählt sie im Podcast “Wer redet ist nicht tot” von ihren Erlebnissen unterwegs.
Frau Diener, wohin ging Ihre letzte Reise? Was war das Beste dran, was hätte man sich sparen können?
Zuletzt war ich in der Schweiz, im schönen Saanenland. Es hat gerade frisch geschneit, die Landschaft war der Wahnsinn, herrlich. Leider finde ich ja, das Schönste an den Bergen sind die Täler, weshalb ich nicht unbedingt oben auf dem Berg im Iglu hätte übernachten müssen, zumal ich eine der kältesten Nächte des Jahres erwischt habe. Es war wirklich sehr, sehr kalt. Aber am nächsten Morgen schien die Sonne, und alles war wieder gut. Außerdem ist das Essen großartig, ich habe im Dorfladen das Lebensmittelbudget für ein, zwei Wochen gelassen, habe jetzt aber Käse mit Silbermedaille und hausgemachte Pferdewurst.
Womit bringt man Sie unterwegs auf die Palme?
Zu eng organisierte Pressereisen, die mir keine Luft zum Atmen lassen, machen mir schlechte Laune. Überhaupt Gruppenzwang.
Wie sieht für Sie Horrorurlaub aus?
Mit Florian Silbereisen auf der Aida nach Abu Dhabi. Oder drei Wochen Tropical Islands. Künstliche Welten mit zu viel Bespaßung.
Und der perfekte Urlaub?
Ich fahre ja einfach jedes Jahr in ein gottvergessenes Dorf im Thüringer Wald. Man lässt mich in Ruhe lesen und schreiben, das Essen ist hervorragend, der Wald gleich hinter dem Haus und weit und breit keine touristische Infrastruktur. Ich möchte im Urlaub möglichst wenig abgelenkt werden. Wenn ich das haben will, mache ich eine kurze Städtereise mit ein paar Freundinnen. Wir sind schon bestens eingespielt, wir essen dauernd, und mittlerweile läuft mir auch keine mehr ins Bild, wenn ich fotografieren möchte, also eigentlich immer.
Wenn man in Ihre Heimatstadt Frankfurt kommt, was sollte man sich unbedingt ansehen?
Einer meiner Lieblingsorte ist der Palmengarten. Er ist wirklich einer der schönsten botanischen Gärten der Welt, hat gigantische Gewächshäuser mit tropischen Pflanzen und bizarren Wüstengewächsten, ein ganz wunderbares Café mit herrlichen Torten und man kann sich auch einfach auf die Wiese legen, wenn man will, und auf den See gucken. Zum Glück wohne ich gleich um die Ecke. Aber zum Pflichtprogramm gehört unbedingt auch eine der alteingesessenen Apfelweinwirtschaften. Abends rückt man da mit Wildfremden auf dem Bänkchen zusammen, lässt den Bembel (einen Steinkrug) kreisen und isst dazu unbedingt Grüne Soße. Wer in Frankfurt war, und keine Grüne Soße gegessen hat, war nicht wirklich da.
Wo hat Ihnen die Provinz besonders gut gefallen? Warum?
Eigentlich liebe ich überall die Provinz, weil sie sich nicht herausputzt, wie die Städte das meistens tun. Die japanische Provinz ist wirklich toll, ganz anders als Tokio, alles ist langsam und mit viel Liebe gestaltet. Aber demnächst werde ich mich ein wenig mehr um die Provinz Russlands und der ehemaligen Sowjetunion kümmern. Ich glaube, da gibt es noch viel zu entdecken. Andrea Diener
Was steht noch auf der Bucket List?
Abgesehen von dem, was schon fest für das Jahr im Programm ist: Ich war noch nie in Mittel- oder Südamerika und würde wirklich gerne nach Peru oder Bolivien oder Ecuador reisen. Panama war schon einmal fest vereinbart, hat dann aber nicht geklappt, leider. Außerdem mag ich Marokko sehr gerne und möchte deshalb auch mal nach Tunesien. Andrea Diener
Gibt es ein Land/eine Gegend, die Sie nicht bereisen würden?
In die Türkei fahre ich momentan nicht, auch wenn ich meinen Lieblings-Baklava-Läden in Istanbul sehr nachweine.
Wie entspannen Sie? Sind Reisen für Sie auch einmal Entspannung bzw. machen Sie noch Urlaub? Oder ist der Job/die Geschichte immer im Hinterkopf?
Das kommt auch auf die Reise an. Manche Pressereisen sind wirklich wahnsinnig. Vor der Buchmesse in Frankfurt, die immer sehr hektisch für mich ist, mache ich meistens irgendeine nette Schiffsreise und komme erholt wieder. Andere dagegen haben ein Mörderprogramm, man muss jeden Tag früh aufstehen, aber man macht es trotzdem, weil es interessant ist und man da vielleicht nicht so schnell wieder hinkommt.
Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Lektion, die Sie beim Reisen gelernt haben?
Inzwischen bin ich ziemlich entspannt beim Reisen. So ziemlich jede blöde Situation lässt sich irgendwie lösen, es ist egal, ob man gerade geduscht hat oder nicht und wenn man was vergessen hat, kann man es so gut wie immer nachkaufen. Ich bin schon durch Fukuoka gerannt, um ein Leica-Ladegerät zu suchen, und habe es gefunden, obwohl der Verkäufer beinhart behauptet hat, sie hätten keins. Aber da lag es. Ansonsten hätte ich das irgendwie anders hinbekommen. Wenn man das weiß, macht man sich nicht dauernd verrückt und ist vorher nicht angespannt. Und wenn Polizisten zu einem sagen, man soll doch mal mitkommen, kann man ja immer noch nervös werden. Andrea Diener