An der Küste tobt das Leben, Touristen stürmen die Luxushotels, die aus dem Boden schießen. In Budva oder Kotor badet, feiert und genießt man. Im Hinterland Montenegros zeigt sich der Balkanstaat von einer komplett anderen Seite. Luxushotels? Fehlanzeige. Authentisches Montenegro: oh yes. Ich habe drei Frauen besucht und mir angesehen, wie sie den Tourismus bei sich hochziehen.
Über ihnen die Sterne
Angelika, Andjela und Andja vereint eine Lizenz – alle drei sind auf visitdarkskies.com registriert, weil sich von ihnen aus der Himmel und sogar die Milchstraße so herrlich beobachten lässt, dass in den lauen, sternenklaren Nächten nicht an Schlaf zu denken ist. Angelika, gebürtige Niederösterreicherin, beherbergt ihre Gäste in der Jablan Winery. Das Weingut betreibt sie mit der Familie ihres Mannes. Gemeinsam keltern sie naturbelassene Orange Weine.
Ungewöhnlich für Montenegro, das zwar viel Wein produziert, von biodynamischen Verfahren und Bio-Zertifizierungen allerdings noch eher weit entfernt ist. Und weil man nicht den ganzen Tag Wein kosten kann (ja, schade), stellt sie ihren Gästen E-Bikes zur Verfügung und radelt sogar selbst mit, um ihnen die schönsten Ecken rund um die Hauptstadt Podgorica zu zeigen, wo die wunderschön wilde Natur beginnt. Von ihrer Winery aus geht es über einen in den Fels gehauene Straße hinunter nach Rijeka. Von dort aus starten Boote, mit denen man den größten See am Balkan, den Skadar-See, befahren kann. Immer wieder heben sich Reiher und Kormorane in die Luft, Enten nehmen Reißaus, wenn das Boot herantuckert und Seerosen wiegen sich im Wind.
Vielfältiges Angebot
Noch weiter im Landesinneren hat sich Andjela mit ihrem Mann Matija und ihrem Fit Camp Montenegro einen Herzenswunsch erfüllt. Die beiden haben eine alte Bude gekauft, ein hübsches Apartment-Haus angebaut und alles für Leute hergerichtet, die das andere Urlaubserlebnis suchen. Digitale Nomaden sind hier ebenso willkommen wie jene, die digital detox machen wollen. Lässt sich alles fein unter einen Hut bringen, denn Andjela hat ein feines Netzwerk geknüpft. Eine Ernährungsberaterin kommt und kocht mit den Gästen, eine Yogalehrerin kommt zum Ommm unter freiem Himmel am Waldrand, eine Mental-Health-Coachin kommt und bringt das Innere auf Vordermann, wenn gewünscht.
Das Fit Camp heißt nicht umsonst so; neben Yoga stehen wandern und andere sportliche Aktivitäten am Tagesprogramm. Begleitet wird man stets von einer munteren Hundeschar, denn hier ist man außerordentlich tierfreundlich. Und genau munter gestaltet sich das Gemeinschaftsleben, zu dem Andjela und Matija gerne einladen.
Wander- statt Skischuhe
Das erste Skigebiet Montenegros ist indes zum Opfer des Klimawandels geworden: Schnee gibt’s in Vučje kaum mehr. Mit dem Charme und der Ausstattung eines Landschulheims findet man hier nahe der zweitgrößten Stadt des Landes, Nikšić, allerdings ein echtes Wander-Paradies. Ob sanfte Hügel für gemütliche Touren oder echte Bergtouren (ok, da können wir nur vom Hörensagen berichten), nach ein paar Höhenmetern winken Belohnungen in Form von feiner Aussicht und Weitsicht.
Zurück im Haus zeigt Geschäftsführerin und Hoteldirektorin Andja, wie man hier kocht: deftig und köstlich. Langsam geschmorte Eintöpfe, selten vegetarisch, stehen immer auf der Karte, ebenso wie das (tatsächlich fleischfreie) Kačamak. Dieses Comfort Food vom Balkan ist wohl für die kalte Jahreszeit geeignet; nach einer ausufernden Wanderung schmeckt sie allerdings auch bei 20 Grad und mehr recht gut.
Fazit: Angelika, Andjela und Andja sehen von der öffentlichen Hand keine bzw. kaum Unterstützung. Trotdzem setzen sie ihre touristischen Projekte um und holen Menschen in ihr Land, um ihnen ein authentisches Montenegro zu zeigen – und wie unglaublich schön die Natur bei ihnen ist. Ich war im Frühsommer 2025 vor dem Massentourismus da – und wer diesen ungewöhnlichen Luxus auch genießen möchte, sollte sich besser beeilen.
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Hotspots Montenegro
Pod Volat
Die mutmaßlich besten Ćevapčići der Hauptstadt gibt es im osmanischen Viertel von Podgorica. Das „Pod Volat“, ein hübsches Lokal, befindet sich gleich neben dem freistehenden Uhrturm. Der kulinarische Fokus liegt klar auf Gebratenem und Gegrilltem, die Gäste sind überwiegend Einheimische. Hallo, Balkan!
1 Trg Vojvode Bećira Osmanagića, Podgorica, Montenegro
Propaganda Bar
In Nikšić, der zweitgrößten Stadt Montenegros, befindet sich die „Propaganda Bar“. Der Stil ist schick und urban – eine Atmosphäre, die man in town nicht allzu oft findet. Die bunten Sonnenschirme laden auf die Terrasse ein – ein idealer Stopp auf einem Citytrip auf dem Weg ins montenegrinische Bergland.
Trg Slobode 1, Nikšić, Niksic Municipality Montenegro
Onogošt
Wer Architektur mag, wird vor diesem Hotel in Nikšić gebannt stehenbleiben, das Onogošt sticht sowas von ins Auge mit seinem Mix Kommunismus- und modernem Style. Für Citytripper top, liegt es doch mitten in der Stadt, Sehenswürdigkeiten, Bars und Lokale sind somit in walking distance.
Njegoševa 24, 81400 Nikšić, Montenegro
Hotel Podgorica
Eine architektonische Ikone finden wir in Podgorica. Das Hotel der renommierten Architektin Svetlana Kana Radevic hat internationale Preise abgeräumt, weil es Umwelt und Natur miteinbezieht. So sind Flusssteine in die Außenwände des Hotels eingearbeitet. Und drinnen? Im Vier-Sterne-Haus warten netter Service und adrette Zimmer.
Ul. Svetlane Kane Radevic, 81000 Podgorica, Montenegro