© Robert Herbst/POINT OF VIEW
Ursachen für den bereits überstrapazierten Begriff des Wirtesterbens gibt es ja bekanntlich viele. Neben chronischem Personalmangel und gestiegenen Energiekosten scheint die allgemeine Konsumfreude der Bevölkerung aktuell etwas zu lahmen. Umso erfreulicher vernehmen sich in Zeiten wie diesen Meldungen von Lokal-Erföffnungen. Beim Gasthaus Nährer in Rassing handelt es sich nicht bloß um ein neues Restaurant, vielmehr steckt eine Zukunftsvision dahinter. Und was für eine.
Die Philosophie
Das Nährer ist ein Gasthaus samt Greißlerei, das bedacht ist mit der Zeit zu gehen und den Ansprüchen seiner Gäste gerecht zu werden. Um 2,2 Millionen Euro ließ der prämierte Haubenkoch Mike Nährer nicht nur ein Wirtshaus errichten, sondern stellte ein multifunktionales Konzept in der Nähe von St. Pölten auf die Beine. Das Spektrum soll dabei vom romantischen Essen zu zweit bis hin zum Rockkonzert für einige hundert Besuchende reichen.
Die Bedeutung des Dorf-Gasthauses für Ort und Gesellschaft streicht der Eigentümer explizit hervor und sieht im Facettenreichtum das entscheidende Argument um das Lokal auch künftig erfolgreich führen zu können: Nährer: „Das Gasthaus war immer jener Ort, an dem die Menschen aus dem Dorf zusammen gekommen sind. Es erfüllt damit auch eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Die Herausforderungen sind heute aber ganz anders als früher. Mit unserem neuen Gasthaus geben wir den Menschen genau dieses Gefühl der Geselligkeit zurück. Als ein Ort, der für die unterschiedlichsten Anlässe konzipiert ist, wandelbar vom intimen Rahmen bis hin zum großen Fest.“
Gasthaus Nährer in Rassing: Die Küchenlinie
Kurz und prägnant lässt sich das Konzept mit from nose to tail umschreiben. So wird alles verarbeitet, nichts verschwendet oder entsorgt. Geboten werden Speisen in höchster Qualität, die aber durchaus tradtionellen Ursprungs sind, aber einen modernen Einschlag erhalten. So serviert Nährer beispielsweise Rieslingsbeuscherl, Hasenlauf oder geröstete Rehleber und erkochte damit vom Start weg 3 Gault&Millau Hauben.
Dem umliegenden Traisental und seinen Bauern und Bauerinnen kommt die Rolle der Versorgenden zu. Regionalität ist nicht nur ein Schlagwort, sie wird tatsächlich gelebt. In unmittelbarer Gasthaus-Nähe baut Nährer außerdem in Zusammenarbeit mit dem Projekt „Grünzeug vom Feld“ Biogemüse und Kräuter an. „Als Koch ist es für mich ganz essentiell, die Produkte über das Jahr direkt zu begleiten und zu spüren, wann schmeckt etwas gut und wann tut es das nicht mehr.“
Architektur und Funktionalität
Das neu errichtete Gasthaus ist vorne und hinten vollständig verglast. In Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Spitzbart + Partners wurde ein simpel gehaltener Grundriss umgesetzt, der auf 200 Quadratmetern rund 70 Gästen Platz bietet. Die Ausstattung ist so konzipiert, dass das Lokal auch vollständig aus- und eingeräumt werden kann, was dann bei Events einige hundert Besuchende ermöglicht. Das Stammhaus wiederum, dessen Ursprünge bis in 16. Jahrhundert zurückreichen, bleibt bestehen und ist gleich gegenüber des Neubaus Verantsaltungsort für die Feuerwehr und Musikkapelle, soll aber mittelfristig zum Beherbungsbetrieb erweitert werden.
Ein Higlight ist der Blick vom Gastgarten in die sogenannten “Vergessenen Gärten”. Bei diesen handelt es sich um ein weiteres Herzensprojekt von Mike Nährer. Seit 2019 bewirtschaftet er diese nach biologischen Vorgaben als Weinbauer – und das sehr erfolgreich. So umfasst die bebaute Fläche mittlerweile 0,75 Hektar ehemals unbenutzter und überwucherter Gärten.
2 Kommentare
Sehr guter Bericht über das GH.im Traisental. Leider gibt es schon wenige gute Gasthäuser.
GH. Im Rassing, meinte ich😀