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Dark Tourism: Die Lust an der Katastrophe

Früher nannte man es “Katastrophentourismus”, heute ist oft von “Dark Tourism” die Rede. Doch was versteht man darunter?
Foto von Cederic Vandenberghe auf Unsplash

Foto von Cederic Vandenberghe auf Unsplash

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Während sich die einen auf Sommer, Sonne und Sonnenschein freuen, wenn sie an Urlaub denken, zieht es andere an düstere Orte. An Destinationen, an denen Katastrophen passiert sind. An Locations mit dunkler Vergangenheit. Sicher, ein bisschen gruselt sich doch jeder gern. Vor allem im Herbst, schon Richtung Halloween blickend. Aber wer sind die Menschen, die lieber nach Prypjat als nach Phuket reisen? Und wo zieht es Dark Tourism Fans in ihrer Freizeit so hin? Eine Spurensuche.

Dark Tourism in der Wissenschaft

Früher nannte man Schaulustige, die an Katastrophenorte reisten, einfach nur “sensationsgeil”. Diese Zeitgenossen gab es immer schon. Auch die Zuschauer bei den blutigen Kämpfen im Colosseum in Rom gehörten dazu. Oder alle, die im 16. Jahrhundert an öffentlichen Hinrichtungen teilnahmen. Angeblich nahmen an der Schlacht von Waterloo 1815 auch Zuschauer teil. Relativ neu ist allerdings die wissenschaftliche Aufarbeitung mit diesem Thema.

Foto von jessica rigollot auf Unsplash
Foto von jessica rigollot auf Unsplash

Einer, der sich damit schon vor zehn Jahren beschäftigte, ist Dr. Philip R. Stone. Er arbeitete zunächst 15 Jahre am Privatsektor, bevor er 2004 zur University of Central Lancashire stieß. Hier begründete er das Institute for Dark Tourism Research (iDTR). In seinen zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt er sich mit Touristenattraktionen, die eng mit dem Tod und dem Makabren verbunden sind. Er entwarf sogar eine siebenstufige Skala der “Sensationsgeilheit”1.

Wie dunkel ist dark?

Ganz unten stehen dabei “Orte, die in Verbindung mit Tod und Leid” stehen. In ihrer leichtesten Form werden diese “Attraktionen” als “weit in der Vergangenheit liegend” wahrgenommen. Sie sind oft erst durch Interpretation von bedeutungsvoll. Oft gibt es rundherum viel touristische Infrastruktur. Stone bezeichnet sie als “Touristische Spaßfabriken”. Wir denken zum Beispiel an das bereits eingangs genannte Colosseum in Rom. Oder die Gassen vom Londoner White Chapel, wo einst Jack The Ripper sein Unwesen trieb.

Foto von David Köhler auf Unsplash
Foto von David Köhler auf Unsplash

Ganz oben auf der Dark Tourism Skala stehen Plätze, an denen in der jüngeren Vergangenheit Katastrophen passiert sind. Es sind Orte, die nicht nur mit Tod, Leid und Katastrophen assoziiert werden. Sondern Orte, an denen tatsächlich Schreckliches passiert ist. Stätten des Genozids, etwa in Ruanda, Kambodscha oder im Kosovo sowie Auschwitz wären die dunkelsten auf Stones Skala. Er nennt sie “Dark Camps of Genocide”. Dazwischen liegen unterschiedliche Abstufungen, deren Übergänge meist fließend sind.

Wovon sind Dark Tourism Fans fasziniert?

“Zusammenfassend würde ich sagen, dass es niemals einen so genannten ‘dunklen Touristen’ geben kann, weil die Beweggründe für den Besuch bestimmter Stätten so vielfältig und die Erfahrungen der Besucher mit unterschiedlicher emotionaler Intensität behaftet sind, dass der Versuch, die Besucher über einfache Parameter hinaus zu kategorisieren, sinnlos ist. Es gibt keine dunklen Touristen an dunklen Tourismusorten, sondern nur Menschen, die sich für die soziale Realität ihrer eigenen Lebenswelt interessieren”, sagt Stone in einem Interview2.

Foto von Stephan van de Schootbrugge auf Unsplash
Foto von Stephan van de Schootbrugge auf Unsplash

Was Menschen dazu bewegen könnte, Dark Tourism Orte aufzusuchen? Einerseits könnte es sein, dass sich der Mensch damit die eigene Vergänglichkeit vo Augen führt. Einen weiteren Beweggrund vermutet Stone in einer Art Bedürfnis, sich auf den “Ernstfall” vorzubereiten. Also sich in eine schreckliche Situation zu versetzen und sich zu fragen, wie man selbst gehandelt hätte. Wahrscheinlich ist es auch das gute Gefühl der Erleichterung, das sich einstellt, wenn man sich gruselt – und dann feststellt, dass man in Sicherheit ist.

Meist gut informiert

Wolfgang Aschauer, Tourismussoziologe an der Universität Salzburg, beschäftigt sich ebenfalls mit dem Phänomen. Er bricht eine Lanze für jene, die von Dark Tourism fasziniert sind. Denn seinem Wissensstand nach seien es in der Tat nur in Ausnahmefällen voyeuristisch Motivierte, die sich an Katastrophenorten begeben. Tatsächlich handle es sich um historisch gebildete, gut informierte Besuchende, die sich an weit entfernte (und meist nicht ganz günstige) Reiseziele dieser speziellen Spielart begäben3. Die Ziele von Menschen mit Dark Tourism Affinität sind dabei so unterschiedlich, wie ihre Persönlichkeiten.

Dark Tourism
Foto von Andy Holmes auf Unsplash
Foto von Andy Holmes auf Unsplash

Während manche von verlassenen Häusern fasziniert sind, die gar nicht einmal so viel Geschichte haben (oder nichtmal ein dunkles Geheimnis beherbergen), kann es für andere nicht blutrünstig genug sein. Unser Tipp an alle: Verhaltet euch immer respektvoll. Insta-Selfies in Mauthausen zu schießen, ist respekt-, geschmack- und pietätlos. Und auch auf kleinerer Skala ist es nie ein feiner Zug, bei aktuell stattfindenden Katastrophen nicht zu helfen, sondern das Handy zu zücken. Wir denken zum Beispiel an Gaffer bei Unfällen, Feuern oder Hochwasser. Just don’t do it.

Quellen:
1 https://clok.uclan.ac.uk/27720/1/27720%20fulltext_stamped.pdf
2 https://journals.openedition.org/teoros/2906
3 https://www.derstandard.at/story/2000077291465/dark-tourism-was-menschen-an-duestere-orte-zieht


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