In vino veritas sagten angeblich bereits die alten Römer. In Sachen Weinbau hat sich seit damals aber viel getan, und irgendwie auch wieder nicht. Begriffe wie Amphoren- oder Oranger Wein (Orange Wine) schwirren durch die vinophile Szene. Doch was genau ist eigentlich Naturwein, der aktuell im wahrsten Sinne in aller Munde scheint? Der Versuch einer groben Annäherung aus österreichischer Sicht.
Ausgangslage
Wie so oft in der Geschichte der Menschheit bedurfte es eines negativen Höhepunkts, bevor sich die Sache zum Besseren wenden konnte. In Österreich war dies der Weinskandal der 1980er Jahre. Um diesen zu erklären, muss ich etwas ausholen: Damals üblich, und auch heute noch erlaubt, die sogenannte Chaptalisation. Bei diesem Verfahren wird der Alkoholgehalt durch die zusätzliche Beimengung von Zucker um bis zu 2 % gesteigert – angewandt vor allem bei früher Lese unreifer Trauben.
Einige österreichische Winzer kamen nun auf die gar nicht so schlaue Idee, neben Zucker auch Diethylenglykol einzusetzen und so vor allem Süßweine aufzumotzen. Dieses Diethylenglykol findet sich in Verbindung mit Wasser als Frostschutzmittel in den Verkaufsregalen, hat im Körper also nichts verloren. Da deutsche Großabfüller Teile dieser so gepanschten Weine erwarben und mit anderen Weinen vermischten, kamen auch unsere nördlichen Nachbarn in den zweifelhaften Genuss. Von großen Medien aufgedeckt, wurde aus der unschönen Angelegenheit rasch ein Lebensmittelskandal.
Konsequenzen des Weinskandals
In unmittelbarer Folge brach der Weinabsatz in Österreich massiv ein. Als weiteres Resultat aber verfügt die Alpenrepublik mittlerweile über eines der strengsten Weingesetze weltweit, überwacht durch genaue Qualitätskontrollen. Eine neue Generation Winzer machte sich auf, den Skandal vergessen zu machen und brach mit der Tradition der Aufzuckerung. Stattdessen dürfen die Trauben lange genug reifen, um ausreichend Zucker zu produzieren.
Status Quo
Eine gesetzliche Grundlage oder einheitliche Definition für den Naturwein gibt es nicht, zumal sich auch die Herangehensweisen bei der Herstellung teils massiv unterscheiden. Ein gewisser Konsens unter den Winzern herrscht allerdings hinsichtlich An- und Ausbau. Die Bewirtschaftung hat biodynamisch oder zumindest biologisch zu erfolgen, der Wein sollte in seiner Entwicklung keinen oder nur geringen chemischen Mitten ausgesetzt werden. Die Zugabe von Schwefel ist höchst strittig und maximal durch traubeneigene Hefen gestattet. Vereinfacht gesagt, sollte der Wein mit dem gelindesten menschlichen Einwirken Form annehmen. Im Idealfall ist der Naturwein also nachhaltig, ressourcenschonend und lebendig. Auf jeden Fall aber spannend und wohlschmeckend.
In der gelebten Praxis
Nach der theoretischen Geschichtsstunde wird es nun endlich Zeit für die praktische Umsetzung. Was könnt ihr also wo trinken und verkosten? Top-Tipp: Seit Jahrzehnten ein Fixstern am Himmel der österreichischen Naturweinszene ist der Weinskandal. Moritz Herzog und sein Team reisen mit großem Einsatz durch die Weinwelt, um die besten Flaschen handverlesen in ihrem Shop in 1030 Wien unters Volk zu bringen. Das Angebot reicht dabei von leicht zugänglichen Tropfen verhältnismäßig klassischer Ausprägung wie etwa Judith Becks Chardonnay Klassik bis hin zu komplexeren Weine a la Anderts Ruländer 2021, der alles andere als konventionell ist. Seit einem knappen Jahr gibt es ergänzend zum Shop auch noch die R&Bar in 1070 Wien. Die ist praktischerweise Geschäft und Naturweinbar internationaler Prägung in einem und unbedingt einen Besuch wert.
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