Es kommt eher selten vor, dass wir über geschlossene Hotels berichten. Doch das Südbahnhotel am Semmering/Niederösterreich ist eine Ausnahme. Das legendäre Grand Hotel ist nämlich eine Ikone, der die Geschichte, Kunst und Literatur ein Denkmal gesetzt haben. Nun kann man an einer Führung durchs Hotel teilnehmen.
Der Glanz vergangener Tage
1976 schlossen sich die Türen des Hauses – zumindest für den Hotelbetrieb – gänzlich. Zu diesem Zeitpunkt konnte das Südbahnhotel bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken. Seine Planung begann nämlich bereits 1880. Die Fertigstellung dauerte nur 14 Monate, 1882 begrüßte man die ersten Gäste. Für die unverwechselbare Architektur war Wilhelm von Flattich verantwortlich.
Die rund 60 Zimmer, Spiel-, Rauch- und Damensalons sowie das Restaurant und die Badeeinrichtungen wurden schon bald von Mitgliedern der höchsten Wiener Kreisen bevölkert. Sie kamen mit der neu errichteten Südbahn direkt aus der Hauptstadt, um die gesunde Luft am Semmering zu genießen. Selbst Kaiserin Elisabeth gab sich hier dem euphemistisch “Liegekur” genannten Herumfläzen auf einer Liege in der Sonne hin. Schnell gehörten auch Männer aus der Hochfinanz und ihre Familien zum Publikum.
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Rund um 1903 war der Bau weitgehend abgeschlossen. Das Anwesen mit dem ikonischen Mittelturm war schon längst zum Wahrzeichen des Semmerings geworden. Die Zimmer waren lichtdurchflutet und durchaus großzügig. Ausgestattet von namhaften k. u. k. Hoflieferanten mit maßgefertigten Möbeln, Intarsien, Spiegeltischen, Parkett und edlen Teppichen erhielt jedes Zimmer seinen individuellen Charakter. Selbst die Badezimmer waren durchaus luxuriös.
Sein wichtigstes Attribut war allerdings nicht der Luxus, den das Hotel seinen Gästen bot. Es waren seine Gäste selbst. Von der Aristokratie angelockt, kam schon bald auch die Schickeria. Das Südbahnhotel diente fortan nicht nur der Erholung. Sondern auch der Selbstdarstellung. Orchestriert wurde das Schaulaufen der Eitelkeiten von Hoteldirektor Seibt und seinem dreibeinigen Hund. Für Amüsement war immerzu gesorgt.
Der Anfang vom Ende
Mit der steigenden Beliebtheit kamen zahlreiche Zubauten. So verfügte das Südbahnhotel bald schon über eine Bibliothek, mehrere Säle, ein Bierstüberl und einen Kinosaal. Die Küche, ihres Zeichens 12 Meter hoch, verfügte bereits über ein Lüftungssystem. Parkanlagen samt Golfplatz, die sich im Winter zu Skiwiesen, Naturrodel-, Bob- und Skeletonbahnen sowie Eislaufplätze verwandelten, machten den Semmering auch im Winter zu einem beliebten Ausflugsziel.
1932 folgte das Hallenbad. Entworfen von Emil Hoppe und Otto Schönthal. Kein Wunder, dass sich Größen wie Oskar Kokoschka, Alma Mahler-Werfel, Aolf Loos, Koloman Moser und Gerhart Hauptmann schon bald in die Riege der illustren Gäste einreihen konnten. Der stetige Abstieg des Südbahnhotels begann mit dem Anschluss Österreich ans Deutsche Reich. Zunächst blieben die betuchten jüdischen Gäste natürlich aus. Dann nutzte die deutsche Wehrmacht es im Krieg als Gefechtsstand.
Abschied vom Semmering
Der Krieg forderte seinen Tribut. So nahm man den Betrieb zwar wieder auf, allerdings war dem Südbahnhotel kein Erfolg mehr beschieden. Unter anderem, weil der Semmering an sich an Bedeutung als Urlaubsort verloren hatte. Zunächst wurde aus dem ersten Hotelgebäude eine Anlage mit Eigentumswohnungen, aus dem Zubau “Waldhof” wurden Apartments. 1976 schlossen sich die Hoteltüren für immer.
Von 1994 bis 2021 war das Gebäude in Besitz einer Rehabilitationsklinik – zu deren Eröffnung kam es allerdings nie. Lediglich die Festspiele Reichenau nutzten das Hotel mit Erfolg von 2000 bis 2010 für seine Sommerfestspiele. Von 2017 bis 2021 fand der Kultur.Sommer.Semmering in den ehemaligen Hotelräumlichkeiten statt. Seit 2021 ist das Südbahnhotel nun im Eigentum der Christian Zeller Privatstiftung. Es soll nun revitalisiert werden. Und schon bald den Betrieb als Hotel wieder aufnehmen.
Blick hinter die Kulissen
Interessierte haben nun die Möglichkeit, im Rahmen einer Führung den Glanz der vergangenen Zeiten erleben zu können. Es stehen drei verschiedene Rundgänge zur Auswahl. “Glanz vergangener Zeiten” dauert etwa 60 Minuten und kostet € 20,− pro Person. In dieser Zeit erfahren die Teilnehmenden Wissenswertes über die Architektur, die Gäste und das exklusive Ambiente des ehemaligen Grand Hotels am Semmering.
“Skandale und Sensationen am Semmering” hat die schillernden Persönlichkeiten aus Kunst, Geld und Hochadel zum Thema. Diese Führung dauert 90 Minuten und kostet € 25,− pro Person. “Gefährliche Liebschaften am Semmering” hat Allianzen und Tête-à-têtes zum Thema; auch diese Führung dauert 90 Minuten und kostet € 25,− pro Person. Sie alle sind hier buchbar.
Südbahnhotel Führung Erfahrungen
Wir haben uns die Führung zum Thema “Glanz der vergangenen Zeiten” gegönnt. Die Zeit verstrich so unglaublich schnell, vor allem, weil unser Guide die Stunde mit viel Humor gestaltete. Teil der Führung waren unter anderem der Besuch des Hallenbades, eines Zimmertrakts und einiger Prunkräume. Man bestaunt Teile der originalen Einrichtung und vermeint fast, Teil der faszinierenden Geschichte des Hotels zu werden.
Wir waren im Jänner dort, da war es ganz gut, dass wir warm angezogen waren. Geheizt wird nämlich natürlich nicht. Man darf so viele Fotos machen, wie man möchte – und selbstverständlich auch endlos Fragen stellen. Wenn man sich ein bisschen hinter die Gruppe zurückfallen lässt, kommt Shining-Feeling auf. Dann sollte man die Hecken im Garten nicht zu genau betrachten … Unbedingt ein Muss: Im Erdgeschoß aufs Klo gehen – ihr werdet staunen. Ein kleiner Tipp noch dazu: Die Gegend eignet sich hervorragend für eine (Winter-)Wanderung zum “Zwanzig-Schilling-Blick”.
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1 Kommentar
Das Hotel scheint einen eigenen Vibe zu versprühen, auf alle Fälle klingt es spannend und auch ein wenig schaurig. Da muss ich hin 🙂