Ich weiß nicht, wann ich zuletzt an einem Samstagabend Ewigkeiten vorm Spiegel stand, um unterschiedliche Outfit-Kandidaten für den Abend durchzuprobieren. Wahrscheinlich irgendwann in den 2000ern. Damals war das Ganze noch einfacher. Ich war ein Teenie und es gab genau zwei Discos bei uns am Land. Das heißt: ich kannte den Hausbrauch und alle Menschen, die ich abends treffen würde. Ich wusste ungefähr, was man da so anzieht. Beziehungsweise haben damals, als MTV noch Musik spielte, sämtliche Girlbands den Look vorgegeben. Low Rise Jeans, babyblauer Lidschatten und Choker waren super hip. Viel Auswahlmöglichkeiten gab es sowieso nicht. Später dann retteten Dresscodes mein Leben. Und jetzt ist mir meistens sowieso egal, was ich anziehe. Hauptsache Kleid. Doch dann kam eben der letzte Samstag und mit ihm die Einladung, zum Sommerfest im legendären Motto als +1 mitzukommen.
Obwohl – oder gerade: weil – ich nur das Anhängsel war, wollte ich die Outfit-Auswahl nicht dem Zufall überlassen. Sieben Outfits, dh. sieben verschiedene Kleider hatten es in die engere Auswahl geschafft. Nach Videocall-Konferenzen mit den besten drei Freundinnen konnten wir die Optionen auf drei eingrenzen. Aus denen wählte der Beste dann aus. Es wurde das kürzeste mit dem tiefsten Ausschnitt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ich gab mir Mühe beim Make-Up und stylte gefühlte vier Stunden meine Haare. Hätte mich jemand beobachtet, er hätte gedacht, ich mache mich gerade für meinen allerersten Club-Besuch fertig. Und irgendwie fühlte es sich auch so an. Selbst vor dem elend langen März 2020, der erst vor ein paar Wochen zu Ende war, traf man mich nämlich meistens in Pubs, Beisln oder Kaffeehäusern an. Und davor? War 1999.
Im Motto war dann alles chillig: wunderbares Essen, super Atmosphäre, aufmerksames Service und fantastische Drinks. Dazu gute Musik und nette Menschen. Aber auch: Dämmerlicht, Alkohol und die Erkenntnis: so richtig jucken tut in einer erwachsenen Welt das Outfit anderer auch niemand, solang man nicht nackt oder völlig over-/underdressed erscheint. Und vorausgesetzt, man geht in ein Lokal wie das Motto, wo man sein darf, wie man ist. Anders sieht die Sache natürlich aus, wenn man gerade mal 16 ist und denkt, eine Weggeh-Location sei nur dann super, wenn man drei Stunden im Minirock anstehen muss, nur um dann von halbstarken Türstehern abgewiesen und mit einem Minderwertigkeitskomplex nach Hause geschickt zu werden, von dem man noch mit 30 ordentlich was hat. Junge Menschen, tut euch das nicht an. Wählt eure Fortgehlocation nach Wohlfühlfaktor. So wie ihr das auch bei euren Freunden machen solltet.
So long – die Frau Hilmbauer