“Lass uns Baywatch schauen.” Wie ich schon in der Folge 11 vom Chill Report Podcast verraten habe, habe ich nicht gedacht, diesen Satz jemals zu sagen oder zu hören. Und doch ist es passiert. Nun kann man zu Recht sagen, dass Baywatch eine Serie ist, die es – aus feministischer Sicht – nicht geben sollte. “Fleischbeschau” ist da nur ein Begriff, der einem einfällt. Aber wir hatten eben schon etwas Wein intus, es war Samstagabend im Lockdown und überhaupt. Also schauten wir eben “Baywatch remastered” gratis auf Amazon Prime und ihr solltet es auch tun. Aus mehreren Gründen. Es folgt eine kleine medientheoretische Abhandlung zu Brüsten, Badeanzügen und Bizepsen (und das letzte Wort ist tatsächlich der korrekte Plural. Dankt mir später). Und eine Erklärung, weshalb wir tatsächlich sagen: unser TV-Tipp Baywatch hat eine Daseinsberechtigung.
Katharsis
Der Theorie nach führt das Ausleben innerer Konflikte und Emotionen zu einer Art Reinigung, der Katharsis. Wenn ihr also schon seit längerer Zeit Emotionen wie Aggressivität oder Wut mit euch herumtragt, dann ist Baywatch das Richtige für euch. Man kann sich herrlich darüber aufregen. Zum Beispiel über die Tatsache, dass alle Männer durchweg mit Dad Bods daherkommen, also mit eher durchschnittlichen Körpern. Zumindest in der ersten Staffel musste wohl niemand von denen irgendeine Art von Schönheitsideal erfüllen. (Und dann kam Kelly Slater…) Die Frauen allerdings sind aus einem Guss. Schlank, vollbusig, hübsch. Selbst Erica Eleniak (Shawnie) mit ihrer Monobraue ist da eigentlich auch keine Ausnahme.
Auch ein Aufreger: die Art, wie Frauen gern als hysterische Weiber oder als bösartige Verbrecherinnen gezeigt werden. Oder ist es eher die unwahrscheinliche Handlung (Mitch, der sich von seinem Rettungsschwimmer-Gehalt ein Häuschen am Venice Canal leisten kann..), die euch fluchen lässt? Oder ist es die Geografie, die nicht passt und euch stört (die Aufnahmen stammen zum Großteil aus Santa Monica, nicht aus Mailbu..) Die heteronormative Darstellung von Beziehungen? Nur zu, tut euch keinen Zwang an. Der TV-Tipp Baywatch got you covered.
Eskapismus
Ihr wollt euch nicht aufregen, aber trotzdem Baywatch schauen. Geht auch. Lasst einfach alles vorher Gesagte außer Acht und gebt euch dem puren Genuss hin. Genießt die Aufnahmen von blauem Meer, von Surfern, nassen Menschen, Strand, Sonne, Sommer, Kalifornien, von Menschen in Massen ohne Masken, von Sandburgen, Bikinis, Badehosen und Life Guard Türmen. Verliert euch in den guten, alten 80ern. Denkt an die 90er. An Freibad, Chlor, Plattfuß-Eis und Solero Shots. Denkt an Sommerferien, an Urlaub. Vergesst die Gegenwart zumindest eine Episode lang.
Inhibition
Bei der Inhibitionsthese geht man davon aus, dass die Betrachtung von medialer Gewalt einen abschreckenden und hemmenden Effekt auf den Zuschauer hat, wenn auch die negativen Konsequenzen des Tuns gezeigt werden. So, nun ist Gewalt durchaus ein Thema bei Baywatch, natürlich gewinnen die Guten am Ende immer. Weiten wir aber die Inhibitionsthese ein wenig aus und legen wir sie um. Sagen wir auf weibliche Body Images, die da so gezeigt werden. Auf den ersten Blick und bei näherer Betrachtung wird klar: wer ins Bild will, muss ins Bild passen. Das heißt, das richtige Format mitbringen.
Bei Baywatch ist es ein Körper, der auch in Slow Mo beim Laufen vertretbar aussieht. (Außer der von Eddie – ist euch schonmal aufgefallen, dass nur dessen linke Brustwarze hüpft?) Also: die gewalttätige Vernichtung von Chips und Schokolade hat die wahnsinnig negative Konsequenz, dass wir wohl nicht am Malibu-Strand rumhopsen werden. Zumindest nicht vor der Kamera. Sicher, es ist ja egal, was andere von unseren Körpern denken. Und niemand will in einer sexistischen Serie im Fernsehen auftreten. Aber ich hätt schon auch gern einen Bauch, der streifenfrei bräunt. Wenn ihr versteht, was ich meine. Also wirkt Baywatch Schauen hemmend auf meinen Snack-Appetit. Nicht schlecht per se.
Reaktanz
Dieser Effekt beschreibt das psychologische Phänomen, dass in einer Situation, in der wir wählen können, jene Alternative am Attraktivsten erscheint, die wir nicht haben können oder die bald wegfallen könnte. Muss ich jetzt wirklich noch erklären, weshalb in Zeiten wie diesen ein Ausflug ins Kalifornien der 90er, an den Strand und ans Meer wie der Traumurlaub schlechthin wirkt? Ein Grund noch, der den TV-Tipp Baywatch rechtfertigt:
Stimulation
Badehosen, Bikinis, Brüste, Bizepse. You’re welcome.