Der Kreuzfahrtleiter Niki R. Nikolaus im Interview
Überall anders nennen sie sich “Kreuzfahrtdirektor”, unser Interviewpartner der Woche mag den Begriff nicht und sieht sich eher wie ein Reiseleiter auf dem Schiff – also als Kreuzfahrtleiter. Nikolaus Richard Nikolaus, und das ist kein Künstlername, stand uns Rede und Antwort und verrät, wie man Kreuzfahrtleiter wird, was man dabei erlebt und wie er privat verreist. Aktuell ist er beruflich meist auf der MS Nestroy zwischen Wien und dem Donaudelta unterwegs.
Herr Nikolaus, wie wird man Kreuzfahrtleiter?
Es gibt keine Ausbildung dafür. Ich bin dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Ich habe acht Schulen gebraucht bis zu meiner Matura. Als ich am Österreichischen Hof in Salzburg gearbeitet habe, hatten wir einen griechischen Reeder als Gast. Der hatte immer Sonderwünsche. Ich konnte ihm alle erfüllen. Beim Verabschieden meinte er: “Wenn Sie jemals einen Job brauchen, kommen Sie zu mir.” Nach dem Studium war das der erste Kreuzfahrtleiter-Job, auf griechischen Yachten. 50 Meter, 50 Passagiere.
Wie bereitet man sich auf soetwas vor?
Ich war damals unvorbereitet. Aber ich hatte eine gute Allgemeinbildung. Dank meiner Eltern war ich als Kind schon viel in 5*-Häusern und wusste, was an Service erwartet wird. Ich habe vier Sprachen fließend gesprochen. Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Und dann kamen noch Griechisch und Russisch dazu. Ich hatte ein enormes Interesse für alles, was zu sehen war. Auf diesen exklusiven griechischen Schiffen gab es auch oft Lecturer. Die deckten den gesamten fachlichen Teil ab. Und ich konnte mir diese Lectures auch anhören. Von denen habe ich wahnsinnig viel gelernt. Ich hab auch das Fremdenverkehrskolleg in Klessheim gemacht, weil ich immer dachte, ich möchte mir keinen 50-jährigen Kreuzfahrtleiter vorstellen, der den Kasperl für die Menschen macht. Ich wollte Hotelmanager werden. Das hab ich dann eine Zeit lang am Schiff gemacht.
Wie ist aus dem ersten Beruf dann die Berufung geworden?
Ich habe mir mein Studium auf dem Schiff verdient und bin aber nach zwei Jahren in einem anderen Beruf mit 26 wieder zurück aufs Schiff. Dann war ich viel auf Hochsee unterwegs. Unter anderem für Seabourn. Meine letzte Hochseestation war die MS Deutschland, das “Traumschiff”. Von der Deutschland bin ich auf den Fluss. Da hat sich entschieden, dass ich Kreuzfahrtleiter sein will und nicht Hotelmanager am Schiff. Vor allem, weil ich gemerkt habe, dass es da Bedarf gibt. Viele Kreuzfahrtleiter haben meiner Meinung nach die Rolle des Gastgebers nicht ordentlich ausgefüllt. Die haben nur ihre Pflicht abgearbeitet.
Was ist bei Ihnen anders?
Man muss den Gast willkommen heißen und ihm das Gefühl geben, dass er ein gern gesehener Gast ist. Man muss sich um ihn kümmern.
Wie schaut so ein Arbeitstag eines Kreuzfahrtleiters aus?
Es gibt Hafentage und Flusstage. Grundsätzlich bin ich vom Moment des Einschiffens der Gäste bis zum Ausschiffen mit ihnen beschäftigt. Natürlich kann man sich da seine Freizeiten herauspicken, das tue ich auch – um gute Restaurants in den Häfen in ihrem Überleben zu unterstützen 😉 Aber grundsätzlich ist man anwesend, wenn die Gäste auch anwesend sind. Man begrüßt die Gäste, gestaltet das Wochen- und Tagesprogramm und vermittelt behutsam Information über die angelaufenen Häfen und die Geschichte der Städte und Länder, die sich am Fluss befinden.
Und wieviel Urlaub hat man?
Ich arbeite 210 Tage im Jahr à 12 Stunden und muss in dieser Zeit das Geld verdienen, das mich dann auch über den Winter bringt.
Das ist viel Arbeit und klingt anstrengend. Warum macht man das?
Was ich an der Arbeit so schätze ist das unmittelbare Feedback der Gäste. Wenn man was ordentlich macht, kriegt man einen Applaus, wenn man etwas schlecht macht, lassen einen die Gäste das auch wissen.
Erlebt man nicht auch viel?
Ja, sehr. Letztes Jahr zum Beispiel war eine Familie an Bord. Eltern und Großvater, weit über 80, und zwei Teenager-Töchter. Eines Tages hat mich der Vater gefragt, ob der Opa mal ins Steuerhaus darf, weil er vor 50 Jahren selber Donaukapitän war. Natürlich hab ich den auf die Brücke geholt und mir Zeit für ihn genommen. Der hat mir so viel erzählt, zum Beispiel wie die Donau früher war, die Schifffahrt damals funktioniert hat und so. Der ist mit seinen Enkeltöchtern und seinem Sohn immer ganz vorne gesessen und hat erzählt. Irgendwann hat er gestanden, dass er sehr ungern fliegt. Drum hab ich ihm dann ermöglicht, dass er auch zurück wieder mit dem Schiff mitfahren kann, die Familie ist geflogen. Beim Rauffahren hat er mir all seine Geschichten erzählt. Das war eines der schönsten Erlebnisse.
Wie reagieren die Einheimischen in den Häfen, wenn eure 218 Passagiere alle gleichzeitig an Land gehen?
In den Häfen, die wir mit der Nestroy anlaufen – wir fahren die Donau von Wien bis ans Delta hinunter- sind die Häfen nicht so überlaufen und die Einheimischen freuen sich wirklich noch über die Besucher. Am deutlichsten wird das in Bulgarien und in der Ukraine, wo wir herzlichst willkommen geheißen werden. In Vilkovo in der Ukraine kommen die Kinder des Dorfes und singen und tanzen. Der Pfarrer verteilt Brot und Salz, um die Gäste willkommen zu heißen. Ich sehe es auch als meine Aufgabe, den Gästen zu vermitteln, dass sie Souvenirs nicht am Schiff kaufen sollen, sondern bei den Einheimischen. Ich erzähle ihnen in jedem Land, was typisch ist und was man gut einkaufen kann. In Bulgarien gibt’s zum Beispiel hervorragende Rotweine und Rosenöl-Produkte.
Welches Vorurteil möchten Sie gern aufklären, wenn es um Flusskreuzfahrt geht?
Dass es sich nicht um eine Reiseform für alte Leute handelt. Im Gegenteil, viele Schiffe sind zB. nicht barrierefrei. Da kommt man mit dem Rollator nicht weit. Wir haben keine Lifte. Eine Flusskreuzfahrt macht man nicht erst, wenn man alt ist und sich nicht mehr rühren kann. In Wirklichkeit ist sie für jede Altersstufe ab ca. 15 Jahren interessant. Wobei gerade auch Kinder von den Vögeln im Donaudelta immer total begeistert sind. Es ist ja auch spannend, was entlang dieser Flüsse alles passiert ist – Völkerwanderungen, der Untergang des Römischen Reiches, Handel… das Gebiet ist so geschichtsträchtig!
Was steht noch auf Ihrer persönlichen Bucket-List?
Es stehen ein paar Länder am Programm, die ich wieder besuchen möchte, um es zu intensivieren. Ich wollte immer in die Antarktis. Hab’ ich erledigt. Ich war in Südgeorgien, auf den Falklandinseln, ich hab St. Helena geschafft, ich wollte immer auf die drei entlegensten Inseln der Welt und die hab’ ich geschafft.Was noch drauf ist: Ich möchte unbedingt in den nächsten Jahren eine Walking Safari im Okavango Delta machen. Ich möchte irgendwann Sonderprogramme für Reisen nach Madagaskar entwickeln, um Menschen dieses einzigartige Naturparadies zeigen zu können. Und ich möchte noch einmal ganz langsam durch Südamerika reisen, auf Humboldts Spuren. Ein Ziel: eislaufen am Baikalsee! Mit der Transsib hinfahren und dann eislaufen am Baikalsee.
Womit bringt man dich auf Reisen auf die Palme?
Ignoranz. Für mich sind das Schwierigste Gäste, die vom Ausflug in Bulgarien zurück kommen und sagen: “Das Land war sehr sauber, aber die haben schon noch viel aufzuholen”. Ich mag Leute, die offen auf die Kultur gehen. Die, die nur in jedem Land feststellen, ob es sauber oder dreckig ist, sind meine roten Tücher.
Was ist auf jeder Reise mit dabei?
Bücher.
Was muss man anschauen oder tun, wenn man in deine Heimatstadt Salzburg kommt?
Meine Heimat ist die Donau. Und dort muss man einmal am Donaudelta die Stille in der Früh genossen haben. Man muss in Russe, der Geburtststadt Elias Canettis, einen bulgarischen Schopska Salat gegessen haben und im Eisernen Tor einen Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang erlebt haben. Alles das erlebt man bei einer Reise auf der MS Nestroy.
Was ist dafür die beste Reisezeit?
Es kommt ganz drauf an, was man sehen will. Im Hochsommer sind die meisten Vögel am Delta. Allerdings ist auch der Frühling wunderschön, da sind auch schon viele Vögel da, man hat die angenehmsten Temperaturen und es ist noch nicht so überlaufen. Die Tage sind auch schon relativ lange. Der Herbst ist auch eine wunderschöne Reisezeit, vor allem, wenn man die Tage erwischt, an denen sich die Bäume verfärben.
Wie machen Sie persönlich Urlaub?
Mein persönlicher Ausgleich ist mein jährlicher Urlaub in Thailand, wo ich in einem Bungalow am Strand wohne. Das ist Entspannung pur. Ein anderes Ausgleichsprogramm ist ein Schulprojekt in Madagaskar, für das ich seit 14 Jahren Geld sammle. Da fahre ich immer wieder hin und sehe mir an, wie sich das entwickelt.
Übrigens: Niki Nikolaus spielt eine Rolle in Hera Linds Bestseller “Mord an Bord”. Zwar mit geändertem Namen, aber wer schon einmal mit ihm unterwegs war, erkennt ihn mit Sicherheit!