Zu Erntedank knallt’s!
Altenmarkt-Zauchensee/Salzburg. Mit 120 Dezibel ertönen rhythmische Schnalzgeräusche. Sie rühren von den bis zu 2,80 Meter langen Peitschen, die die Altenmarkter Schnalzer im Sattel stehend durch die Luft rasen lassen. Heute wie damals weiß damit jeder, dass ein besonderer Anlass ansteht. Eine Hochzeit etwa, Almabtrieb oder Erntedank. Letzterer ist eines der wichtigsten Feste im 4.400 Einwohner zählenden Altenmarkt-Zauchensee, rund 70 Kilometer südlich von Salzburg.
Herbstlicher Höhepunkt
Wenn sich die Blätter langsam verfärben, die Ernte eingebracht ist und die Kühe längst wieder von den Almen in ihre Ställe gebracht wurden, beginnt im bäuerlichen Kalender eine etwas ruhigere Zeit. Das Erntedankfest, der Auftakt dazu, ist im Alpenraum oft allerdings ein ziemlich lauter. In Altenmarkt versammelt sich der Festzug, bestehend aus Trachtenmusikkapelle, Stuckerschützen, Trachtenfrauen, Kameradschaftsbund und Landjugend. Gemeinsam zieht er Richtung Zentrum. In der alten Pfarrkirche segnet der Pfarrer die Erntekrone und Erntegaben. Allen voran marschieren vier Buben. Sie lassen über ihren Köpfen Peitschen in einem schnellen Takt schnalzen. Die Peitschen erreichen dabei fast 1.000 km/h – die Maximalgeschwindigkeit eines Passagierflugzeugs.
Ihnen hintennach kommen acht berittene Schnalzer auf ihren festlich geschmückten Norikerpferden. Sie sind robuste Gebirgskaltblüter; der Lärm lässt sie völlig kalt. Die Reiter bleiben immer wieder stehen, um ihre Peitschen schnalzen zu lassen. Das Schnalzen allein ist schon eine schweißtreibende Angelegenheit. Schließlich müssen die Schnalzer dabei die schnellste Handbewegung ausführen, die ein Mensch schafft – ansonsten würde die Spitze der Peitsche keine Überschallgeschwindigkeit erreichen. Der Knall bliebe aus. Doch Kraft allein reicht nicht. Takt- und Rhythmusgefühl, Mut und reiterisches Können sind ebenfalls vonnöten.
Von Generation zu Generation
Einer der berittenen Schnalzer ist Franz Simon Walchhofer. Der 18-Jährige hat seine erste Peitsche im zarten Alter von zweieinhalb bekommen. “Ich hab’ die Windel gegen die Peitsch’n getauscht”, sagt er. Die Peitsche von damals hat er immer noch. Die Liebe zum Brauchtum liegt in der Familie. Sein Vater Franz Walchhofer ist schon seit 1989 Obmann der Altenmarkter Schnalzer. “Das Schnalzen, das früher ähnlich wie das Jodeln der Kommunikation in den Bergen diente, wird heutzutage genutzt, um auf außergewöhnliche Ereignisse aufmerksam zu machen”, erklärt er. Obwohl der Brauch in weiten Teilen Bayerns und Österreichs sowie in Ungarn verbreitet ist, ist das Altenmarkter Schnalzen dennoch speziell. “Außer bei uns im Pongau, dem Pinz- und Tennengau ist es nur noch in Ungarn Sitte, im Sattel zu schnalzen. Dort stammt es von den reitenden Steppenhirten ab”, so der Obmann.
Die alte Tradition wird in der Doppelgemeinde Altenmarkt-Zauchensee jedenfalls in Ehren gehalten und weitergegeben. Die Kinderschnalzer sind das nächste Mal auf der “Genuss.Zeit” im Herbst von 2. bis 15. September zu sehen. Während dieser zwei Wochen gibt’s einen traditionellen Herbstmarkt, ein Craft-Beer-Fest und die Outdoor-Galerie “Wald und Gewand”. Am 6. und 13. September finden öffentliche Schnalzerkurse statt. Am 6. Oktober, zum Erntedank, haben die erwachsenen Schnalzer wieder ihren Auftritt.
Weitere Informationen: www.altenmarkt-zauchensee.at