Spätestens seit Bridgerton ist einer breiten Masse bekannt, dass der Adel des 19. Jahrhunderts mindestens zwei Wohnsitze hatte. Einen für die kühleren Tage in der Stadt. Und einen für die heißen Sommer am Land. Nicht nur angenehmere Temperaturen vor den Toren der damals wachsenden Citys sprachen dafür. Auch bessere hygienische Bedingungen und die (gefühlte) Notwendigkeit, ein kontrollierendes Auge auf die Leibeigenen zu haben, sprachen für einen temporären Wohnsitzwechsel. Oder den “urlaup”, also die “Erlaubnis, sich zu entfernen.” Nicht nur in England, auch Sommerfrische in Österreich wurde modern.
Mit der Ausbreitung der Eisenbahn folgte dem Adel auch die illustre Gesellschaft aus Kunstschaffenden und Intellektuellen. Die Highsociety also. Und schon war das Konzept der Sommerfrische in Österreich geboren. Als Zugfahren auch für das Bürgertum Reisen unkomplizierter machte, wurde Urlaub in den Bergen oder zumindest am Land populär.
Skilifte und Flugreisen bescherten dem Sommertourismus in ruralen Gebieten ein Nischendasein. Und den Ruf, etwas verstaubt zu sein. Das ändert sich aktuell radikal.
Nur ein Grund: Temperaturen
Mit Kostenbewusstsein kann dieser Wandel allerdings nichts zu tun haben, könnte man doch für den Preis einer Sommerfrische in Österreich aktuell auch ins Ausland fahren. Naheliegend ist es, diesen Sinneswandel in der Reiselust auf steigende Temperaturen in der Stadt zu schieben. Tatsächlich ist für viele einheimische Urlaubende das angenehmere Klima in den Bergen ein großer Grund, die Ferien vom Strand auf die Alm zu verlegen.
Tatsächlich merke ich bei meinem Aufenthalt im Unterschwarzachhof in Saalbach-Hinterglemm den großen Unterschied: Als ich mich an einem Tag Ende Juni um 7 Uhr 30 auf den Weg zu einer Joggingrunde draußen mache, hat es gerade einmal 14 Grad. In Wien zeigt das Thermometer zur selben Zeit bereits 21 Grad. Ginge es aber rein um angenehmere Temperaturen, könnte man seinen Urlaub ja auch im Norden Europas verbringen.
Ein weiteres Argument ist daher die Nähe. Man ist schneller da, wodurch man mal auch nur übers Wochenende zur Abkühlung kommen kann. Die Hausberge der Wienbewohnenden, Semmering und Rax, sind zum Beispiel in etwa einer Stunde Fahrtzeit ziemlich unkompliziert erreichbar – auch mit dem Zug. Selbst ein spontaner Ausflug ist da schnell einmal drin. Wer sich zum Beispiel am wunderschönen Knappenhof einbucht, kann das Wochenende zum Kurzurlaub verwandeln.
Tiefgreifender Imagewandel
“Früher waren eher ältere Herrschaften unterwegs”, erzählt Alois Riedlsperger. “Heute sieht man wieder viel mehr Jüngere in den Bergen.” Er muss es wissen, denn Riedlsperger ist Gastgeber auf der Tiergarten Alm in Mühlbach am Hochkönig. Was hat sich also geändert? “Social Media hat viel damit zu tun”, so der Hüttenwirt. Was er damit meint: Österreichs Berge und Täler sind ebenso pittoresk wie eh und je. Doch über Social Media wird auch einer jüngeren Generation diese Schönheit bewusst. Sie kommen – unter anderem – für Fotos, die sich im eigenen Instagram-Feed gut machen.
Ein Umstand, dem auch immer mehr Hotels in den Bergen entgegenkommen. Denn statt angestaubter Pensionszimmer mit Wachbecken neben dem niedrigen Bett aus Eiche massiv und Blümchenbettwäsche findet man sich immer öfter in sorgfältig durchdesignten Boutiquehotels wieder.
Ein Beispiel ist das Hotel Sepp in Maria Alm, ebenfalls am Hochkönig. Das Mitglied der Eder Collection ist sehenswert: Da wäre zum Beispiel der Silverstream am Rooftop des Hotels. Das ikonische Wohnmobil beheimatet heute eine Sauna mit Blick auf die Berge. Er liegt neben dem glitzernden Infinitypool, selbstverständlich ebenfalls mit Panorama gesegnet. Für zusätzliche Fotomotive sorgt das Frühstück, das man auf Wunsch ganz im Malediven-Stil auch als “Floating Variante” im Pool serviert.
Herz, Hirn und Leidenschaft
“Das Design stammt von uns”, verrät Tanja Schwaiger. Gemeisam mit ihrem Mann Josef, dem namensgebenden “Sepp”, führt sie nicht nur das Adults Only Hotel SEPP, sondern auch das benachbarte Familienhotel Eder Frida. Zur “Eder Collection” gehören zudem einen Concept Store, ein Apartmenthaus und die stylishe Almhütte Tom.
Nicht nur offensichtliches Talent ist es jedoch, das zu diesem stylishen Ergebnis führte, sondern auch Fachwissen. Chef Josef Schwaiger studierte nämlich Architektur und war in diesem Bereicht tätig, bevor er 2008 den touristischen Familienbetrieb seiner Eltern übernahm und aus einem Gasthof das stylishe Lifestylehotel in Maria Alm machte.
Nur ein paar Kilometer enfernt, in Saalbach-Hinterglemm, kommt man als Gast aus dem Staunen ebenfalls nicht heraus. Hier trägt jeder Winkel die Handschrift von Gastgeberin Jacky Hasenauer. Sie hat nichts dem Zufall überlassen, vom Geruch im Hotel bis zur Bettwäsche, den bedruckten Tapeten bis hin zu den Dekogegenständen und üppigen Blumenarrangenments. Beim Abendessen erzält die weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannte Gastgeberin von ihren großen Leidenschaften: Innenausstattung, Dekoration, Düfte, Blumen.
So sorgfältig, wie sie sich selbst kleidet, so viel Liebe kommt ihren Betrieben zugute: dem Restaurant Der Schwarzacher, dem Unterschwarzachhof und der Schmiedalm oben am Berg. Handgefertigtes Porzellan aus Wien, Orchideen, denen sie persönlich Tauchbäder in Cola angedeihen lässt, edle Stoffe – die Betriebe atmen die anziehende Persönlichkeit ihrer Gastgeberin. Dazu gibt’s hochwertige Küche mit Zutaten aus der eigenen Landwirtschaft, für die Ehemann Toni und Sohn Thomas verantwortlich sind.
Persönlichkeiten in den Bergen
Wunderschönes Design mag für die einen reine Oberflächlichkeit sein, für die anderen ist es der Anspruch, den sie an ihr eigenes Leben haben. Gemeinsam hat aber eine Vielzahl der Gäste etwas anderes: “Die Menschen wollen echte Erlebnisse”, so Jacky Hasenauer.
In einer Zeit, in der vieles im Wandel und Umbruch ist, sehnen sich auch junge Menschen wieder nach Usprünglichem. Nach einer Sicherheit, wie sie die Berge ausstrahlen. Mit dem echten Erlebnis in den Bergen sind auch oft die Gastgebenden höchstpersönlich verbunden.
Gäste möchten nicht in anonymen Hotels einchecken. Sie wollen Verbindungen eingehen. Ob das nun eine gemeinsame Wanderung mit Chef Toni Hasenauer vom Unterschwarzachhof ist, das Buttermachen mit Jacky oder eine Tour in die Berge mit dem begeisterten Läufer Sepp Eder ist – in einer Welt, die zunehmend digital stattfindet, gewinnen solche Momente an Bedeutung. Wer einmal miterlebt hat, wie traurig die Gästekinder sind, wenn sie von “ihrer” Jacky Abschied nehmen müssen, kann das bestätigen.
Abenteuer auf Sommerfrische in Österreich
Auch in dieser Hinsicht hat sich einiges getan. Waren Kids früher eher schwer zu langweiligen Wanderungen mit ihren Eltern zu bewegen, hat sich die Infrastruktur auf den Bergen auch an die Bedürfnisse von Familien angepasst. Bergbahnen, die auch im Sommer fahren, bringen selbst kurze Beine zu schönen Gipfeln und Almwanderungen. Almspielplätze wie jener der Tiergartenalm oder der Waldrutschenpark Natrun in Maria Alm schaffen Bewegungsmotivation.
Im Tal warten kuschelige Bauernhoftiere und Reitstunden im Unterschwarzachhof oder die vielen spektakulären Features im Hotel Eder Frida. “Künftig gibt’s sogar eine Rutsche vom dritten Stock hinunter”, verrät Gastgeberin Tanja Schwaiger ein bisschen Zukunftsmusik aus dem Familienhotel.
Bei Infrastruktur für Familien ist noch lange nicht Schluss. Mit steigendem Gesundheitsbewusstsein kamen Trendsportarten. In den 1970ern erfunden, erlebt zum Beispiel Mountainbiken ein neues High. Moderne E-Bikes und die einfache Möglichkeit, sich von Bergbahnen hinauf auf die schönsten Gipfel bringen zu lassen, locken eine neue, breitere Zielgruppe. Lauffans kommen wegen der kühleren Temperaturen, Ausdauersportler üben sich bei Extrem-Events wie dem Hochkönigman Trailrunningfestival.
Sepp Eder, der das Event mitorganisiert, erzählt von den beeindruckenden Leistungen der Teilnehmenden. Unterschiedliche Strecken, darunter der Endurance Trail mit einer Länge von 84,2 Kilometern und 5.030 Höhenmetern, bringen eine ganz besondere Stimmung ins sonst so beschauliche Maria Alm. Was sich andere als Verkörperung der Hölle vorstellen, ist für die Teilnehmenden nur ein anderer, etwas actiongeladenerer Aspekt der Sommerfrische in Österreich.
Zu den Hotels
- Hotel Der Knappenhof, Kleinau 34, 2651 Reichenau/Rax | knappenhof.at
- Hotel Unterschwarzachhof, Schwarzacherweg 40, 5754 Hinterglemm | unterschwarzach.at
- Hotel Eder SEPP, Urchen 8, 5761 Maria Alm | edersepp.com
- Hotel Eder Frida, Hochkönigstraße 31, 5761 Maria Alm | ederfrida.com
- Tiergartenalm, erreichbar über den Wanderweg 75 in Mühlbach am Hochkönig | tiergartenalm.at