Schon seit 125 Jahren gilt das bemerkenswerte Gebäude im Herzen von Bloomsbury als erste Adresse für Luxusreisende. Heute als Kimpton Fitzroy London bekannt, hat es Verbindungen nicht nur in die Vergangenheit. Es ist ein Hotel mit Titanic Bezug.
Schick mit Geschichte
Es ist relativ spät am Abend, als wir an diesem Tag im Advent vor der hellbraunen Terrakotta-Fassade des Kimpton Fitzroy am Russell Square stehen. Das Gehirn freut sich über diesen Dopaminkick. Denn das üppige Äußere des Hotels gibt dem Auge und den grauen Zellen viel zu verarbeiten: Schmiedeeisene Balkone, eine imposante, mehrere Meter hohe Eingangstür, Lauben, Bögen, Vorsprünge und nicht zuletzt die vier Statuen britischer Königinnen an der Front sorgen dafür, dass man ständig neue Details entdeckt. So hat es einst also ungefähr ausgesehen, das achtstöckige Château de Madrid in Frankreich. Zerstört während der Französischen Revolution, diente es dem britischen Architekten Charles Fitzroy Doll aber als Inspiration für sein Hotel in London. Es eröffnete im Juni 1900 unter dem Namen Hotel Russell.


Schon damals war das Haus eine Besonderheit. Es war eines der ersten seiner Art, das über elektrisches Licht verfügte und Zimmer mit eigenem Bad bot. Die Ausstattung konnte man ebenfalls als üppig bezeichnen: feinster Marmor aus Carrara, kleinteilige Mosaike, Kamine und hohe Decken sorgten für Opulenz. Wir lösen unseren Blick von der Fassade im französischen Renaissance-Stil und betreten das Hotel über einige Stufen. Der Porter sorgt dafür, dass sich die Türen wie von Zauberhand öffnen und unser Gepäck an der Rezeption wieder auftaucht. Wir hätten es ohnehin einfach vergessen, denn unsere Aufmerksamkeit fesselt das saisonale pièce de résistance: Vor einem prasselnden Kamin stehen hohe Ohrensessel, daneben ragt ein beeindruckend geschmückter Weihnachtsbaum mehrere Meter hoch auf.


Vis-à-Vis von George
Während unseres Aufenthalts ist dieser Ort ein beliebtes Fotomotiv, vor dem gefühlt immer jemand posiert. Auf Englisch würde man wahrscheinlich sagen, dass das Hotel für die Feiertage besonders „dolled up“ ist – also herausgeputzt. Ein Begriff, der mehr als passend ist, schließlich schreibt man ihm zu, direkt mit Charles Fitzroy Doll zu tun zu haben. Das Markenzeichen des damals ziemlich bekannten Hotelarchitekten waren nämlich viel Pomp, Schmuck und Verzierungen. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man schließlich das originale Mosaik am Boden. Es zeigt eine Sonne, umgeben von Tierkreiszeichen. Rechts davon führt eine Marmortreppe hinauf zu den Zimmern und Suiten.


Charles Fitzroy Dolls bekanntestes Haus behielt bis ins Jahr 2018 seinen ursprünglichen Namen Hotel Russell, es überstand selbst den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet. Im April 2018 eröffnete es als The Principal London, wurde aber schon ein halbes Jahr später als Kimpton Fitzroy London Teil von IHG. Zwar gönnte man dem Haus natürlich umfassende Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen, etwa durch ein Update der Zimmer und ein Innendesign von Tara Bernerd & Partners. Doch nicht nur die denkmalgeschützte Außenfassade blieb bestehen, sondern auch viele Originalelemente im Inneren. Da sind eben das bereits erwähnte Stiegenhaus aus Marmor, kathedral wirkende Buntglasfenster und das Mosaik am Boden.


Da ist aber auch „Lucky George“. Die Drachenfigur aus Bronze sitzt wie ein Wächter auf dem Treppengeländer schräg gegenüber unserer Suite und hat einen ziemlich blank polierten Kopf. Er ist der Überlebende eines Brüderpaares – sein Zwillingsbruder zierte die Titanic und sank mit ihr 1912 auf den kalten Boden des Atlantiks. Den Kopf des Glücksdrachen zu berühren, soll einem selbst Gutes widerfahren lassen.
Hotel mit Titanic-Bezug
George ist nicht die einzige Verbindung zum wahrscheinlich berühmtesten Schiffswrack der Welt. Charles Fitzroy Doll war nämlich auch jene Person, die den Speisesaal der ersten Klasse des Unglücksdampfers designte. Dabei bediente er sich großzügig an seinen eigenen Ideen. In „Fitz’s Brasserie“ des Hotels speisen Gäste daher heute noch in der angeblich exakten Vorlage für den Titanic-Speisesaal.


Serviert wird saisonale Festtagsessen, etwa Thanksgiving Dinner
oder Weihnachtsmenüs stehen auf der Karte. Es steht aber morgens auch als Frühstückslokal und während der restlichen Zeit als All-Day-Dining-Spot mit modernisierter britischer Küche offen. Tagsüber waren wir hier nicht zu Gast, morgens staunten wir zugegebenermaßen beim Frühstück mehr über die Säulen und die Decke des Raumes als über das Frühstück an sich. Das Frühstück ist eine lebhafte Angelegenheit – auf wohltuende Weise. Hier kann man sich gut unterhalten und hat nicht das Gefühl, eine Art morgendliche Grabesruhe einhalten zu müssen.
Gelassener Luxus
So gelassen geht es trotz allem Luxus auch im restlichen Haus zu. Das Service ist in allen Bereichen schnell und zuvorkommend, trotzdem lässt man ein Augenzwinkern nicht vermissen. In der Suite wartet das
knallrote Oldschool Telefon darauf, für Roomservice oder Bestellungen von allen möglichen Dingen, die man vergessen haben könnte (vom Lockenstab bis zum Nagellackentferner) in Betrieb genommen zu werden. Hinter dem Bett hängt ein Spiegel, der durchaus auch als Bullauge durchgehen könnte – eine weitere Hommage an die Titanic?


Wir wissen es nicht und lassen es an dieser Stelle, einen billigen Scherz übers Schiffeversenken einzubauen. Das Bad überzeugt mit Dusche und Badewanne, wir haben ein kleines Wohnzimmer mit Kamin, zwei Smart TVs und einen Schreibtisch mit genügend Platz für Notizen. Fürs Lichtkonzept braucht man angenehmerweise keinen Ingenieursabschluss und auch Steckdosen – USB und britische – stehen in genügender Anzahl zur Verfügung. Wer beim Erforschen der besten Stadt der Welt noch nicht ausreichend Kalorien verbraucht hat, kann sich im Gym austoben; zur anschließenden Erholung begibt man sich am besten in die wunderschöne Bar.


Perfekt für Afternoon-Tea oder Evening-Drinks. © IHG
Auf literarischen Spuren
So sehenswert das Hotel auch ist, sollte man es doch hin und wieder verlassen, schließlich liegen in der unmittelbaren Umgebung geschichtsträchtige Orte. In Bloomsbury wandelt man nämlich auf den Spuren von Charles Dickens und Virginia Woolf, auch das British Museum ist ganz in der Nähe. Nur wenige Meter weiter erfährt aktuell ein einst brutalistischer Bau eine Renovierung. Er wich 1962 dem einstigen sehr imposanten Hotel Imperial, das ebenfalls von Charles Fitzroy Doll entworfen worden war und mindestens eben-
so üppig aussah, wie das Russell Square Hotel.


2026 soll hier wieder ein Hotel aufmachen. Der Name: Imperial.
Und wer nicht zu Fuß unterwegs sein möchte, steigt in die U-Bahn direkt ums Eck und ist dank der Anbindung an die Piccadilly Line in wenigen Stationen an der High Street oder in Knightsbridge.
Kimpton Fitzroy London, a Member of IHG
1-8 Russell Sq, London WC1B 5BE, Vereinigtes Königreich