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Bedrohte Tierarten auf Madagaskar Bedrohte Tierarten auf Madagaskar

Bedrohte Tierarten auf Madagaskar: Die letzten ihrer Art

Indris, Bambuslemuren, Mausmakis: Sie leben nur hier. Und vielleicht bald gar nicht mehr. Denn in den schrumpfenden Urwäldern Madagaskars ist das Schicksal von Tieren und Menschen eng miteinander verknüpft.
© Unsplash

Mit einem Ruck bleibt Fanilo stehen und kneift die Augen zusammen, bis sie nur noch schmale Striche sind. Dann hebt er das Funkgerät an den Mund. „Eine ganze Familie, südlich vom Flusslauf“, raunt er und gibt die Koordinaten durch. Sein Partner wird sich mit den Touristen im Schlepptau erst in einigen Minuten durch das Dickicht des dampfigen madagassischen Urwalds geschlagen haben.

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Denn an die bequem ausgebauten Pfade halten sich die Lemuren im Nationalpark Ranomafana nicht. Sie wählen ihre eigenen Routen – dort, wo widerspenstiges Dornengestrüpp und Lianen den Weg versperren, wo der Farn hüfthoch steht und das Totholz nachgibt, wenn man darüber hinwegbalanciert. Auch sie gehören zu den bedrohten Tierarten auf Madagaskar.

Erfahrung im Dschungel

Es braucht ein geschultes Auge wie Fanilos, um die Tiere zu erspähen. Ganz oben in den Kronen der dünnen Eukalyptusbäume hängen sie, wie überreife, pelzige Früchte. Das leise Rascheln in den Baumwipfeln ist ein untrügliches Zeichen. Fanilo weiß genau, worauf es zu achten gilt, was die Lieblingsplätze der Feuchtnasenprimaten sind, die hier in Sippen unterwegs sind. Manche Arten verlassen nicht einmal zum Trinken die Bäume. Die dicken, fleischigen Blätter, an denen sie fast ununterbrochen nagen, enthalten genug Feuchtigkeit. Andere Arten, so erzählen die Nationalpark Ranger, klettern gelegentlich hinab, um eine Handvoll Erde zu fressen, auf der Suche nach wertvollen Mineralien, die ihnen die Blätter nicht bieten.

Lemur in Madagaskar
© Sandra Bernhofer
Lemur in Madagaskar
© Sandra Bernhofer

Madagaskar gilt als der sechste Kontinent. Nicht weil die Insel so groß ist, sondern weil sich dort, in 165 Millionen Jahren Isolation vom afrikanischen Festland, Tierarten und Pflanzen entwickelt haben, die es sonst nirgends auf der Welt gibt. Fast drei Viertel sind endemisch. Die biologische Vielfalt reicht von seltenen Lemuren- und Chamäleonarten bis hin zu den letzten Bergnebelwäldern der Welt, zu denen eben auch Ranomafana zählt. Vielfalt heißt hier freilich auch, dass man sein Hotelzimmer schon einmal mit flinken Geckos oder fast zehn Zentimeter großen, zischenden Fauchschaben teilt.

Ringen um Land

Um die etwa 390 Kilometer von der madagassischen Hauptstadt Antananarivo ins im Südosten der Insel gelegene Ranomafana zu bewältigen, sollte man mindestens zehn Stunden einplanen. Wer sich auf die maroden Pisten dieser Region vorwagt, vorbei an neongrünen Reisfeldern und tiefroter Erde, sieht am Wegesrand immer wieder auch rauchende Baumstümpfe aufragen. Mitunter heißt es: Fuß vom Gas. Denn plötzlich legt sich dichter, beißender Qualm wie ein grauer Vorhang über die Straße und verschluckt die Sicht in wenigen Sekunden.

Kühe Weide Madagaskar
© Sandra Bernhofer
Kühe Weide Madagaskar
© Sandra Bernhofer

Wer verstehen will, warum hier der Wald niederbrennt, muss einen Blick in die Geschichte werfen: Koloniale Ausbeutung und Jahrzehnten korrupter Regierungen haben eine Nation mit reichen Bodenschätzen und fruchtbarem Land zu einer der ärmsten der Welt gemacht. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung kann weder lesen noch schreiben, Millionen fehlt es an sauberem Trinkwasser oder medizinischer Versorgung. Viele Familien halten sich so über Wasser, wie sie es von den Eltern und Großeltern gelernt haben: durch einfache Landwirtschaft, vor allem den Reisanbau. Dazu braucht es Land, das den Wäldern abgerungen wird. Die Madagassen greifen dafür auf „Tavy“ zurück, ein uraltes Verfahren der Brandrodung. Das so gewonnene Feld nutzen sie zwei, drei Jahre, bevor es wieder der Natur überlassen und sich auf die Suche nach einem neuen begeben.

Bedrohte Tierarten auf Madagaskar

Durch das rasante Bevölkerungswachstum verschwinden die madagassischen Wälder heute jedoch schneller, als sie sich erholen können. Einst war die ganze Insel von Wäldern bedeckt. Heute sind nur noch zehn Prozent davon erhalten. Längst haben sich Neophyten wie Chinesische Guave, Bambus und Eukalyptus in die Vegetation der ursprünglichen Primärwälder eingeschlichen, die zum Teil tief wurzeln und den heimischen Baumriesen das Grundwasser streitig machen. Eine zusätzliche Gefahr für die Wälder und damit auch die Lebensräume, die bedrohte Tierarten auf Madagaskar ebenso brauchen wie die Pflanzenwelt.

Madagaskar
© Sandra Bernhofer
Madagaskar Reptilien
© Sandra Bernhofer

Etliche Lemurenarten sind inzwischen ausgerottet, viele Reptilien zählen zu den bedrohten Tierarten in Madagaskar. Besonders kritisch ist die Lage der Indris, mit ihren 70 Zentimetern die größte bekannte Lemurenart und auch die einzige, die durch Gesänge untereinander kommuniziert, laut und irritierend, wie ein Wal, der sich ins Landesinnere verirrt hat. „Indris können in Gefangenschaft nicht überleben“, erklärt Fanilo. „Wenn der Regenwald verschwindet, verschwinden sie mit ihm.“

Wissenschaftliche Sensation

Inzwischen ist die Nacht über Ranomafana hereingebrochen. Der Nationalpark Ranger streicht etwas Bananenpüree auf einen Ast und schiebt ihn in die Dunkelheit, dort wo der Straßenrand in den Urwald übergeht. Die Minuten verstreichen, während immer wieder Autos wie aus dem Nichts vorbeirauschen. Schließlich glüht ein Paar schokoladenfarbener Augen im Licht der Taschenlampen auf. Zögerlich steuert das faustgroße Fellknäuel auf den Leckerbissen zu. Es ist ein Mausmaki, die kleinste Lemurenart, die im Nationalpark Ranomafana zuhause ist, erklärt der junge Madagasse.

Tierart Madagaskar
© Sandra Bernhofer
Tierart Madagaskar
© Sandra Bernhofer

In Ranomafana – übersetzt: „warmes Wasser“ – suchten einst europäische Kolonialherren in Thermalquellen Entspannung. Heute ist der Ort weniger für seine Bäder bekannt als für eine wissenschaftliche Sensation: 1986 entdeckte der deutsche Biologe Bernhard Meier hier eine neue Primatenart – den Goldenen Bambuslemur. Diese Entdeckung war der Startschuss für einen Nationalpark von der Größe Wiens, der seit 1991 als Schutzgebiet für insgesamt zwölf Lemurenarten sowie eine erstaunliche Vielfalt an Vögeln, Reptilien und Amphibien oder auch den signalroten, maximal 25 Millimeter großen Giraffenhalskäfer ausgewiesen ist.

Zum Schutz der Artenvielfalt

Madagaskar verfügt heute über mehr als 40 solcher Schutzgebiete. Und die bringen Schaulustige und Naturforscher aus aller Welt ins Land. Damit etabliert sich der Ökotourismus als neuer Wirtschaftszweig und wichtige Einkommensquelle. Die Madagassen sind nicht länger ausschließlich auf selbstgewonnene Holzkohle oder mühselige Landwirtschaft angewiesen. Der Wald sichert nun dem ganzen Dorf auf andere Weise das Überleben: Er verschafft den Einwohnern ein Einkommen als Ranger, Zimmermädchen, Ladenbesitzerin oder Taxifahrer. So wird der Wert der Natur ganz konkret erfahrbar.

Madagaskar
© Sandra Bernhofer
Madagaskar
© Sandra Bernhofer

Um auch bei den Madagassen in den Städten ein Bewusstsein dafür zu schaffen, auf welchem Schatz sie sitzen, machen Schulklassen regelmäßig Ausflüge hierher, nach Ranomafana, und in andere, weniger abgelegene Schutzgebiete. Denn die National- und Naturparks sind ein Symbol dafür, dass wer die Natur schützt, nicht nur das Überleben einer einzigartigen Flora und Fauna sichert – sondern auch das der eigenen Gemeinschaft.



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