Elton John hat mit seinem Abschiedskonzert in Glastonbury Geschichte geschrieben. Doch das legendäre britische Festival, das seit 1970 immer am letzten Juni-Wochenende stattfindet, hat viel mehr zu bieten als “nur” weltbekannte Headliner. Wir waren für euch fünf Tage vor Ort. Und teilen nun mit euch unsere Glastonbury Festival 2023 Erfahrungen. Denn: Glastonbury ist das beste Festival der Welt!
Die Facts zum Glastonbury Festival 2023
Keine Frage, wer an Glastonbury denkt, kommt um die Musik nicht herum. Jahr für Jahr spielen auf der Worthy Farm im Südwesten Englands einige der bekanntesten Acts der Welt. Diesmal neben Elton John etwa die Arctic Monkeys, Royal Blood, Guns n’Roses, Lana del Rey, die Foo Fighters, Lizzo oder Kelly Jones von den Stereophonics. Und das zieht: 2,5 Millionen wollten heuer Karten, nur 142.000 haben sie auch bekommen. Die Tickets waren binnen einer Stunde weg. Und das, obwohl am Verkaufstag noch keiner wusste, wer überhaupt auftreten wird!
Bands, Volunteers, VIPs, Presse und all jene, die hinter den Kulissen werken eingerechnet, tummelten sich 210.000 Menschen auf dem Gelände nahe dem Provinzdorf Pilton (weniger als 1.000 Einwohner!). Die Übertragung des Elton John Konzerts bescherte der BBC mit 7,3 Millionen Zuschauern einen neuen Zuschauerrekord.
5-tägige Parallelwelt
Glastonbury zieht sich über fünf Tage, wobei nur drei der Live-Musik gewidmet sind. Wer einzig wegen der Headliner kommt, mag deshalb versucht sein, erst am Freitag anzureisen. Ich würde davon jedoch dringend abraten. Denn im Gegensatz zu Festivals wie dem Nova Rock hat Glastonbury viel mehr zu bieten als die Musik. Abseits der Konzerte könnt ihr hier nämlich in Hippie-Zelten über Gott und die Welt diskutieren, Yoga praktizieren, eine Zirkusvorstellung besuchen. Oder euch mit Vintage-Klamotten eindecken. Und die wahre Magie versteckt sich oft weit abseits der Pyramid Stage, wo die bekanntesten Acts auftreten.
Die Dimension des Festivals eröffnet sich, sobald man das Gelände betritt. Im wörtlichen Sinn: Das gesamte Areal erstreckt sich über rund 3,6 Quadratkilometer. Zum Vergleich: Der gesamte erste Bezirk in Wien ist knapp 2,9 Quadratkilometer groß. Oder, für Sportfans: Das Festivalgelände entspricht der Größe von 500 Fußballfeldern. Die einzelnen Bühnen – es gibt ganze 62 an der Zahl – liegen zu Fuß bis zu eine Stunde auseinander.
Die Glastonbury-App mit Routenplan erweist sich daher als Lebensretterin. Auch sonst ist hier vieles etwas anders als auf österreichischen Festivals: Essen und Trinken (inkl. Alkohol) darf nach Lust und Laune mitgenommen werden, man campt direkt zwischen den Bühnen. Auch Stühle, Tische und Wohnwägen sind erlaubt. Kinder bis zwölf haben sogar gratis-Eintritt. Es gibt auch einen eigenen, ruhigen Familien-Campingbereich.
Festival-Abenteuer im Tapas-Stil
“Um alles zu sehen, was Glastonbury zu bieten hat, würdest du Wochen brauchen – versuche es erst gar nicht”, haben mir Freunde und Glastonbury-Veteranen mit auf den Weg gegeben. Ein guter Rat, wie sich schnell herausstellt. Denn auch wenn mir in der Theorie klar war, wie groß das Festival tatsächlich ist, ist es anfangs dennoch ziemlich überwältigend. Deshalb entscheide ich mich für eine Art Erkundungstour im Tapas-Stil: Must-Sees auf den Bühnen sind in der Handy-App gespeichert, ansonsten will ich einfach möglichst viel Verschiedenes erleben.
An meinem ersten Tag stöbere ich mich durch die unzähligen Vintage- und Kunststände, lasse mir vegane Paella schmecken (sehr lecker!) und knipse die obligaten Bilder vor dem legendären Glastonbury-Schriftzug. Das Highlight dann am Abend: Die offizielle Eröffnungszeremonie. Rund um den sogenannten Steinkreis auf einem Hügel mit Blick über das gesamte Areal gibt es Tänze, Musik und zum Abschluss ein riesiges Lagerfeuer und Feuerwerk.
Nicht wenige verdrücken Tränen – es erscheint immer noch ein bisschen surreal, dass wir alle tatsächlich hier sind. Wenig später verwandelt sich das Gelände in eine riesige Party-Zone. Von den Bühnen dröhnt bis 3 Uhr morgens Musik. Vor jeder tanzen tausende vornehmlich zu House- und Electro-Klängen, in Tipi-Zelten treten Musiker•innen auf. Ich lande irgendwann in der Greenpeace-Zone, in deren Mitte sich tausende Raver um einen riesigen, mit Lichtern geschmückten Baum tummeln.
Baumwipfel und Tränen
Die nächsten Tage verlaufen ähnlich. Kurzer Blick auf den Plan, ansonsten einfach treiben lassen. Das Glastonbury Festival 2023 hat 31 Bereiche, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Von der legendären Pyramid Stage über Mini-Bühnen für Newcomer und Open Air Elektro-Partys bis hin zu Baumwipfelwegen. Es ist ein bisschen, als würde hier nicht ein, sondern mehrere Festivals gleichzeitig stattfinden.
Ein absolutes Highlight sind naturgemäß die unzähligen Live-Acts. Auf keinem anderen Festival der Welt ist das Programm wohl so vielfältig. Neben dem sensationellen Auftritt von Elton John, der vor geschätzten 150.000 Fans den wohl größten Triumph seines Lebens feiert, den Überraschungsgästen Foo Fighters und den Arctic Monkeys lande ich bei einer ukrainischen Punk-Girlband.
Und bei Rick Astley, der sichtlich gerührt ist, dass Zehntausende bei 30 Grad zu seiner Show zur Mittagszeit gepilgert sind. Überhaupt scheinen viele Stars ziemlich bewegt, beim Glastonbury Festival 2023 aufzutreten – Elton John ist nicht der einzige, der an diesem Wochenende Tränen vergießt (und das Publikum gleich mit ihm).
Hippies und Tipis
Einer meiner Lieblingsplätze abseits der Musikbühnen am Glastonbury Festival 2023: die Green Fields. Hier findet man sich fernab vom Festivaltrubel in einer Art Hippie-Paralleluniversum wieder. Mit Tipi-Zelten, bunten Fähnchen und Buddha-Statuen, Yoga- und Meditations-Kursen und Lagerfeuern. Es gibt kleine Gärtchen und veganes Essen, das man mit Gemüse direkt von der Farm zubereitet. Schmerzende Glieder nach einer durchtanzten Nacht? Die Masseure und Osteopathen können’s wieder richten!
Eine völlig andere Welt tut sich im nicht weit entfernten “Theatre & Circus”-Bereich auf. Hier treten über die Tage verteilt mehr als 1.000 Artisten•innen in und rund um ein riesiges Zirkuszelt auf. Dazu gibt es Comedy und Mini-Theateraufführungen, Jonglierkurse und professionelles Glastonbury-Styling. Auch an Stargästen mangelt es nicht: Mel C von den Spice Girls plaudert auf einer Bühne über Spice Girls-Erinnerungen und ihren Zweitjob als DJ.
Etwas skurril ist Glastonbury-on-Sea, ein klassisch britischer Pier wie man ihn in Küstenstädten à la Brighton findet. Inklusive Liegestühlen, Zuckerwatte, Postkartenstand, Spielautomaten und einer kleiner Bühne, auf der ein singender Roboter Rockhits zum Besten gibt. Das einzige, was fehlt, ist das Meer darunter – aber man kann im Leben nicht alles haben.
Tanzen in einer U-Bahn
In Shangri-La sind die Aktivisten und Clubbing-Fans zu Hause. Auf riesigen Plakaten prangert man den Kapitalismus an, man kann seinen Frust über die Regierenden der Welt auf Wände kritzeln und die nächste Revolution planen – oder in einer mit Graffitis verzierten U-Bahn und unter freiem Himmel bis um 6 Uhr früh zu DJs anzen. Und für letzteres hat sich auch ein anderer Bereich bewährt: Arcadia, eine riesige Bühne in Spinnenform, die Feuer spuckt und mit den bunten Lasern wirkt wie direkt aus einem ScienceFiction-Film.
Und dann sind da noch die streng geheimen Glastonbury-Bars, in die jeder will, aber kaum jemand reinkommt, weil sie auf keinem Plan zu finden sind. Schafft man es aber doch, hat man gute Chancen, Promis oder Festival-Gründer Michael Eavis anzutreffen. Ich war gleich am zweiten Abend im versteckten “Rabbit Hole”, einem VIP-Club im “Alice im Wunderland”-Stil unweit der offiziellen gleichnamigen Bar. Um reinzukommen muss man übrigens, kein Scherz, erst einen Hasen mit Karotte in der Hand von sich überzeugen – und dann durch eine Art Kaninchenbau klettern.
Karten für Glastonbury 2024
Klingt gut? Wenn ihr bei Glastonbury 2024 dabei sein wollt, könnt ihr euch schon jetzt auf der offiziellen Website registrieren. Der Kartenverkauf findet voraussichtlich im Oktober statt. Achtung: Auf allen Tickets ist das Foto des Besitzers aufgedruckt, zusätzlich werden am Eingang Ausweise kontrolliert. Wer keines der “Goldenen Tickets” erwischt, sollte deshalb lieber bei Volunteer-Organisationen als am Schwarzmarkt sein Glück versuchen!
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