Interview mit AIDAnova-Kapitän Vincent Cofalka
Einmal auf der Brücke eines so großen Kreuzfahrtschiffes wie der AIDAnova zu stehen, ist ein ganz besonderes Gefühl. Auf 500 Quadratmetern schalten und walten hier zahlreiche Menschen, um den Ozeanriesen sicher übers Meer zu navigieren. Ein Besuch auf der Brücke, mit ihrer riesigen Glaswand und den atemberaubenden Ausblicken, ist etwas ganz Besonderes. Hier haben wir den 42-jährigen Kapitän Vincent Cofalka zum Interview der Woche getroffen. Der Vorarlberger ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Ist er gerade nicht auf See, lebt er mit seiner Familie in Friesland. Er erzählt, was alles auf der Brücke passiert.
Wie kommt ein Österreicher zur Hochseeschifffahrt und wo kann man das lernen?
Ich habe tatsächlich in Deutschland studiert. Bei uns ist ja die Seefahrt im Jahr 1918 spontan aus der Mode gekommen. Ich war an der Fachhochschule Oldenburg Ostfriesland Wilhelmshaven – heute ist das die Hochschule Emden Leer. Das ist ein ganz normaler Studiengang. Damals hieß es Diplomingenieur für Seeverkehr.
Und wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen?
Das war Zufall. Ich habe zwei Dinge, das kann ich mit Fug und Recht behaupten, nie geplant. A) Zur See zu fahren, B) auf einem Passagierschiff. Hat ja hervorragend geklappt… Kurz vor der Matura habe ich einen Bekannten getroffen, den ich ein paar Jahre aus den Augen verloren hatte. Auf die Frage, wo er sich denn rumgetrieben habe, hat er geantwortet, er sei zur See gefahren. Damals noch als Funker. Das gab’s damals noch. Da war zuerst einmal ein großes Fragezeichen. Oida? Da hat er ein paar Geschichten zum Besten gegeben. Das klang alles ganz lustig. Und nach dem Motto “ich weiß ja eh nicht, was ich sonst tun soll”, hab ich ein wenig recherchiert. Ich kam auf den nautischen und technischen Karriereweg. Und hab’ gedacht, das probiere ich mal aus. Vier Jahre später war ich schon im Hauptstudium. Da habe ich den Kollegen wieder einmal getroffen. Und da hat sich dann herausgestellt, dass er noch nie ein Schiff von innen gesehen hat. Der hatte nur einen Kollegen, der das gemacht hat… So kam ich halt zur Seefahrt. Ich war kurz davor, Anfang 2010 aus der aktiven Fahrt auszusteigen. Ich komme eigentlich aus der Frachterei.
Studien – Offizierslaufbahn bis hin zum Kapitän – 2008 wurde ich zum ersten Mal Kapitän. Ende 09 war dann mein damaliger Arbeitgeber kurz davor, wegen Reichtum zu schließen. Mein Dad hat mich angerufen und gemeint: Ruf mal bei AIDA an! Ich hab ihn für geistig umnachtet erklärt. Ich hatte ja keine Erfahrung mit sprechender Ladung! Ich hab aber trotzdem angerufen. Und jetzt sitzen wir hier und sprechen miteinander.
Seit wann sind Sie bei AIDA?
Seit 2010.
Welche Charaktereigenschaften sind für einen Mann wie Sie wichtig?
Für mich selbst ist das A und O neben der Fachkompetenz Führungsqualität und vor allem ganz speziell bereichsübergreifendes Konsequenzenbewusstsein. Ich muss die drei Mikrokosmen Nautik, Technik und Guestservices vereinen.
Was gibt es auf der Brücke alles zu tun?
Wir stimmen uns mit den Häfen ab. Wie sieht’s aus, brauchen wir einen Schlepper, wie sind die Wasserstände, wie sind die Gezeiten – das beeinflusst natürlich alles unsere Manövrierplanung. Wie zum Beispiel heute. Da mussten wir sehr vorsichtig hinein fahren. Wir haben hier im Porto de Rosario (Anm. Fuerteventura) das niedrigste Niedrigstwasser des gesamten Jahres. Wir haben einen Meter weniger Wasser unterm Kiel als normalerweise. Wir haben knapp einen Meter unterm Kiel. Der Tiefgang des Schiffes ist 8 m 60. Die Wassertiefe war jetzt 9 m 60. Das heißt, da muss man dann schon auf Zehenspitzen rein fahren. Ich habe natürlich extrem leistungsstarke Antriebe. Wenn ich da mit zu viel Bums reinfahre, wird’s mit dem Bremsen schwierig. Das sind halt alles diese Kleinigkeiten, die sich hier auf der Brücke abspielen. Vor allem die ganzen Entscheidungsprozesse. Wie ich mein nächstes Manöver plane, welche Geschwindigkeit ich fahre… es ist deutlich mehr als nur das reine Fahren an sich.
Wieviele Leute sind normalerweise auf der Brücke?
Auf See haben wir immer zwei nautische Wachoffiziere, also den Senior Officer und den Junior Officer, und einen Matrosen. Und während dem Manöver – also aufs Flugzeug übersetzt während dem Start und der Landung – dann haben wir insgsamt vier Offiziere auf der Brücke und zwei Matrosen. Das heißt, da ist der Kapitän anwesend, der Staff Kapitän ist anwesend, meine beiden Wachoffiziere und noch zwei Matrosen. Einer ist dazu da, falls ich auf manuelle Steuerung gehe.
Haben Sie vierstündigen Wachrhythmus?
Ich hab’ gar keine Wachen. Wir haben aber ganz normalen Wachbetrieb 24/7. Das heißt, es gibt vier Stunden Wache und acht Stunden frei. Jeder Offizier hat einmal acht Stunden Wache am Tag plus zwei Stunden administrative Nebentätigkeiten.
Was sind die administrativen Nebentätigkeiten? Kapitän Vincent Cofalka
Jeder Wachoffizier hat mit seinem Team ein Ressort. Es gibt das Brückenressort Reisepplanung. Also die komplette Reiseplanung. Da gehört dazu: Wann wollen wir wo sein, welche Wegroute fahren wir ab, die Sicherheitschecks, ist nautisch alles okay, gibt’s Geschwindigkeitsbegrenzungen, gibt’s Richtlinien zu beachten, Meldepunkte… und, und, und. Um so eine Reise hier vorzubereiten dauert es mehrere Wochen, bis wir die final haben. Dann gibt es das nächste Ressort, das ist für das gesamte Brückenequipment zuständig. Dass hier jeder Bildschirm funktioniert, dass die Computersysteme funktionieren, die Kommunikation mit dem Satelliten und, und und. Dann haben wir weitere Ressorts, die die ganze Buchführung machen. Da gibt’s schon einiges zu tun. Im Hafen haben wir einen Offizier auf der Brücke und einen Matrosen oder alternativ zwei Offiziere und keinen Matrosen. Es sind aber immer mindestens zwei da.
Haben Sie Lotsen? Kapitän Vincent Cofalka
Lotsen sind international Vorschrift. Der Lotse ist der sogenannte Revierberater. Er steht dem Kapitän beratend zur Seite, weil bei 5.000 Häfen auf der Welt – die kann ja keiner auswendig. Wir haben natürlich die Seekarten, aber es gibt gewisse Dinge, die spezifische Ortskenntnisse benötigen. Hier ist zum Beispiel beim Einlaufen eine Boje, die entfernt wurde, hier ist es flacher – und in Teneriffa wenn wir einlaufen, da gibt es ungefähr auf halber Strecke zum Liegeplatz einen kleinen Fluss. Wenn da starker Regen herrscht, trägt der sehr viel Sediment rein, dann wird’s plötzlich flacher. Das sind so spezifische Ortskenntnisse, die weiß der Lotse. Das Lotsenboot sieht man in der Früh. Der Lotse kommt an Bord. Auf der Brücke besprechen wir den Manöverplan.
Und wenn trotzdem was schief geht, wer ist Schuld? Kapitän Vincent Cofalka
Die Verantwortung liegt gesetzlich definiert bei mir. Natürlich kann man in letzter Konsequenz über alles streiten.
Was macht der Betrieb mit dem umweltfreundlichen LNG (Flüssigerdgas) für Sie für einen Unterschied?
Man merkt das schon. Ich muss die Maschinen etwas sanfter fahren. Durch den Erdgasbetrieb können die Maschinen nicht so schnell reagieren. Die Maschinen sind nicht so reaktionsschnell wie wir das vom Dieselmotor gewöhnt sind. Wir fahren sehr sanft und versuchen, Lastspitzen zu vermeiden.
Und ist es denn nun ein Unterschied zwischen “toter” und “sprechender” Ladung?
Also meine 10 Uhr 30 Durchsage bei den Containern war ein bisschen einseitig! Kapitän Vincent Cofalka
Wie lange sind Sie immer an Bord? Kapitän Vincent Cofalka
Im Schnitt drei Monate Einsatz und drei Monate Urlaub. Das hängt ein bisschen von den Gegebenheiten ab.