Im Interview der Woche steht uns dieses Mal Christiane Flechtner Rede und Antwort. Die Berlinerin ist nicht nur Reisejournalistin und Fotografin, sondern auch leidenschaftliche Tierschützerin. Sie verrät uns, wobei sie am besten abschalten kann und wofür sie brennt.
Pauschalreise oder Individualurlaub?
Definitiv Individualurlaub. Ich bin gern abseits von ausgetretenen Pfaden unterwegs. Am besten dort, wo keine anderen Menschen sind und ich von viel Natur umgeben bin.
Wohin ging der letzte Urlaub und was war das Beste daran?
Der letzte Urlaub ging nach Australien. Dieses Land hat eine ganz besondere Tierwelt zu bieten. Auge in Auge mit einem Koala ist ein besonderer Moment. Zudem ist Australien leicht zu bereisen. Man bucht sich einfach einen Mietwagen – und los geht’s. Das Beste daran war ein Helikopterflug über die Twelve Apostles. Die bis zu 60 Meter hohen, im Meer stehenden Felsen aus Kalkstein zwischen Princetown und Port Campbell an der Great Ocean Road haben mich unglaublich begeistert. Vor allem aus der Luft kann man dieses Naturwunder auf ganz besondere Art und Weise betrachten. Und ich LIEBE Helikopterfliegen. Dieser besondere Flug – gepaart mit der grandiosen Aussicht – werde ich in Erinnerung behalten.
Was war die letzte Reise?
Ich bin erst vor ein paar Tagen aus Kenia zurückgekommen. Dort war ich als Fotografin bei einer Nashorn-umsiedlung im Einsatz. Nashörner sind eine bedrohte Tierart, und aufgrund Gier nach ihrem Horn werden sie gnadenlos gejagt. Ein Kilo Nashorn-Horn wird auf dem Schwarzmarkt mittlerweile für 60.000 Euro verkauft; es ist also wertvoller als Gold oder Heroin. Dabei besteht es – nimmt man es wissenschaftlich unter die Lupe, wie menschliche Fingernägel oder Haare hauptsächlich aus Keratin, einer Substanz, die keinerlei medizinische Wirkung hat. Zu Pulver zerrieben, wird es in der asiatischen Medizin als Heilmittel genutzt. Zudem hat es sich zu einem Luxusobjekt entwickelt: Als wertvoller Besitz bestätigt es den sozialen Status oder stärkt als teures Geschenk die Beziehungen zu Geschäftspartnern.
Bei dem Umsiedlungsprojekt geht es darum, Spitzmaulnashörner wieder in Gebieten anzusiedeln, in denen sie Jahrtausende heimisch waren. Gab es im Nationalpark Tsavo Ost vor wenigen Jahrzehnten noch rund 20.000 dieser friedlichen Kolosse, ist es nun nur noch eine Handvoll. Die Umsiedlung aus Nationalparks, in denen die Anzahl der Tiere hoch ist und weiter wächst, in den Tsavo Ost sichert dort die Zukunft der Art. Es war sehr aufregend und emotional, diese stolzen und wundervollen Kreaturen so nah erleben zu dürfen und dabei sein zu können, wie sie in ihre ersten zaghaften Schritte in ihrem neuen Lebensraum machten.
Wohin geht es als nächstes?
Als nächstes geht es nach Lanzarote. Auf dieser kanarischen Insel gibt es ein ganz besonderes Weinanbauprojekt. Die Sonne und die vulkanische Erde bieten perfekte Konditionen für die Trauben.
Eher Abenteuer oder Luxus?
Auf jeden Fall Abenteuer. Allerdings bin ich in vielerlei Hinsicht ein Angsthase, habe Höhenangst und Angst vor Spinnen und bin nicht besonders trittsicher. Dennoch lasse ich mich davon aber nicht großartig einschüchtern. Gegen ein wenig Luxus zwischendurch habe ich aber nichts einzuwenden.
Was ist der schönste Ort der Welt?
Das ist ganz schwierig zu sagen. Überall dort, wo die Natur noch stärker ist als der Mensch. Ich war begeistert von der eisigen Einsamkeit Ostgrönlands. Wer einmal ein Stück über das Inlandeis, den 3.000 Kilometer breiten Gletscher, wandert, wird plötzlich ganz still. Ganz besonders bewegt hat mich auch der Bromo-Vulkan auf Java. Als ich am Kraterrand stand und sah, wie es im Innern brodelte, fühlte ich mich auf einmal wieder ganz klein und unbedeutend. Die Natur hat eine immense Kraft, die stärker ist als alles, was der Mensch hier schafft. Nur vergessen wir das oftmals. Ein weiterer schönster Ort der Welt ist die Serengeti in Tansania. Dort Löwen, Elefanten und Giraffen in Freiheit zu sehen, ist ein unglaubliches Glücksgefühl. Diese Erhabenheit der Natur ist es, die mich bewegt und aus der ich eine unheimliche Kraft gewinne.
Womit bringt man Sie im Urlaub bzw. auf Reisen auf die Palme?
Mit peinlichen Touristen, die nicht verstehen, wie man sich im jeweiligen Land verhält. Eine gewisse Anpassung, um die Kultur und die Menschen vor Ort zu ehren und zu respektieren, gehört für mich dazu. Begegnungen auf gleicher Augenhöhe und mit gegenseitiger Achtung ist meine Devise.
Was steht ganz oben auf der Bucket-List?
Galapagos, aber das ist eher ein lang gehegter Traum.
Was muss man sich unbedingt ansehen, wenn man in Ihre Heimatstadt Berlin kommt?
Dan Tegeler Fließ, ein Naturparadies, das aus der Eiszeit übrig geblieben ist. Hier sind Reiher, Frösche, Wildschweine und Biber heimisch.
Wo haben Sie bisher am besten gegessen (und was?)
Als Vegetarierin freue ich mich immer über frische Gerichte mit lokalen Produkten. Unglaublich gut war das Essen in einem kleinen unscheinbaren Fischerhaus am Meer in Südschweden. „Hörte Brygga“ ist der Geheimtipp. Martin Sjöstrand und Emma Andersson Sjöstrand bieten in ihrem urigen Restaurant seit vier Jahren frische Leckereien aus der Region. „Straight simple dishes“, also authentische einfache Gerichte, stehen auf ihrer Karte – und die Gäste lieben es und nehmen sogar weite Wege in Kauf, um ihre Bestellung in einem historischen Einkaufskorb entgegenzunehmen. Ich auch!
Was ist auf jeder Reise fix mit dabei?
Meine Kamera, mein Tagebuch und mein Kuschel-Löwe.
Welches Projekt finden Sie im Besonderen unterstützenswert?
Lions Rock von der Tierschutzstiftung Vier Pfoten in Südafrika. Das Refugium in Südafrika bietet Löwen und Tigern aus Zoo, Zirkus und Privathaltung ein artgemäßes Zuhause. Ich war bei einem Transport von vier Löwinnen aus Rumänien nach Südafrika als Fotografin dabei. Die vier Tiere, die noch nie Gras unter den Pfoten gespürt haben, erleben nun ein wahres Paradies auf Erden. Ihre schreckliche Zeit unter furchtbaren Haltungsbedingungen ist nun Vergangenheit.
Wenn Sie für den Rest des Lebens an einem Ort bleiben müssten – wo wäre das?
Wahrscheinlich auf der Nordseeinsel Norderney. Dort bin ich aufgewachsen, und dort fühle ich mich immer wohl – vor allem im November oder Februar, wenn kaum Touristen vor Ort sind und man Dünen oder Strand ganz für sich hat. Dann sind auch die Naturgewalten am intensivsten. Und was gibt es Schöneres als mit dem Wind zu kämpfen?