Interview mit Christian Hlade
“Wir wollen nicht jeden Gast”, erzählt uns Christian Hlade, unser Partner fürs Interview der Woche. Wir haben den sympathischen Gründer von Weltweitwandern (www.weltweitwandern.at) im Rahmen der Photo + Adventure in Wien getroffen und den ungewöhnlichen Touristiker nicht nur über seine persönlichen Reisegewohnheiten, sondern auch über die Anfänge seines Unternehmens und Zukunftsvisionen befragt. Schnell wird klar: Der Mann ist getrieben vom Wunsch, das Leben aller Beteiligten positiv zu beeinflussen; da nimmt er schonmal in Kauf, Gäste rügen zu müssen oder gar nicht erst mitzunehmen. Begonnen hat alles in einem kleinen Dorf im Himalaya. Christian Hlade, damals noch Architekturstudent, hat 1994 eine Schule für Ladakh als Diplomarbeit geplant, 1999/2000 hat er sich an die schon viele Jahre vorbereitete Umsetzung der Solarschule gemacht – das war nicht nur der Startschuss in ein besseres Leben der Kinder vor Ort, sondern gleichzeitig die Geburtsstunde von Weltweitwandern.
Herr Hlade, wenn Sie privat verreisen: Ist das immer ein aktiv und mit wandern verbunden oder relaxen Sie auch einfach mal?
Wenig- oder Nichtstun halte ich nicht so wahnsinnig gut aus. Nach zwei Tagen am Strand bin ich erschöpft. Ich muss mich bewegen, muss forschen, muss schauen. Es ist ok, einen Nachmittag nach einer schweren Wanderung wo zu sitzen und aufs Meer zu schauen. “Machst du mal Urlaub” ist eine komische Frage. Mein Leben ist so, dass es super ist. Ich entspanne mich, wenn ich wandern, laufen, spazieren geh. Privat gehe ich halt wahnsinnig gern allein. Wenn man einen Job hat, in dem man viel mit Menschen zu tun hat, ist Stille immer ein guter Ausgleich. Ich gehe auch gerne auf Meditationsretreats. Dort bewege ich mich nicht, aber da geht’s um die innere Reise, um die Erforschung des Geistes. Das ist meine jährliche Erholungspause.
Wohin ging denn die letzte private Erholungspause?
Eigentlich täglich. Ich geh raus und bei uns laufen und erhole mich dabei. Ich war aber vor kurzem auch auf den Kapverden. Das war eine Recherchereise, aber das fließt alles ineinander. Ich habe diese Grenze zwischen Erholung und Arbeit nicht. Die Grenzen verschwimmen. Mein Leben beginnt nicht erst mit dem Wochenende.
Was haben Sie denn auf jeder Reise mit dabei?
Die Füllfeder, ein Notizbuch und ganz viele Bücher. Ich hab zwar einen E-Reader, aber dann kauf ich mir doch am Flughafen wieder drei dicke Bücher. Ich lese sehr viel.
Über ein bestimmtes Thema?
Aktuell habe ich gerade “Homo Deus: Eine Geschichte von morgen” vom israelischen Autor Yuval Noah Harari gelesen. Stephen Hawking, Romane – quer durch. Philosophie, Geschichte… mich interessiert auch die Frage “Wie geht’s weiter mit unserem Leben?”
Wie geht’s denn weiter? Also mit Weltweitwandern? Gibt’s konkrete Pläne für die Zukunft?
Wir wollen auf alle Fälle mehr deutsche Gäste – ich mag die Deutschen total gern. Ich möchte unser Markenprofil nicht aufweichen, der Wanderschwerpunkt wird weiterhin sanft, kulturverbindend, sozial verträglich, nachhaltig sein. Wir wollen vor Ort nicht stören, sondern positive Spuren hinterlassen. Davon möchte ich überhaupt nicht weg. Aber wir wollen den Kundenkreis erweitern. Derzeit sind 75 Prozent der Gäste noch aus Österreich.
Wirkt sich der allgemeine Trend zu mehr Nachhaltigkeit auch auf die Buchungszahlen bei Ihnen aus?
Naja, wenn man sieht, wie sehr die Kreuzfahrtbranche wächst, dann ist von Nachhaltigkeit nicht so viel zu spüren. Aber ja, auch wir haben sehr gute Zuwächse zu verbuchen. Wir wollen bei unserem kleinen, feinen Tourismus bleiben. Aber natürlich brauchts auch dafür eine gewisse Anzahl von Buchungen. Der Guide in Marokko und Jordanien möchte auch von seinem Beruf leben.
Was bringt Sie persönlich beim Reisen auf die Palme?
Wenn Touristen fremdenfeindlich sind. Da raste ich aus! Wenn in Ländern, wo es viel Dienstleistung gibt, sich die Gäste plötzlich wie Paschas aufführen, wenn so eine koloniale Haltung rauskommt. Da werd i narrisch! Ich bin ein Gerechtigkeitsmensch. Ich möchte, dass der Tourismus gerecht ist, dass die Löhne gerecht sind – wenn einer eine Dienstleistung erbringt, dann muss man Danke sagen. Wir haben auch Ansprüche an unsere Gäste. Dass die sich vor Ort in einer gewissen Bescheidenheit verhalten. Mit Geld kann ich nicht die Seele anderer Menschen kaufen. Begegnung auf Augenhöhe ist ganz wichtig. Es gibt Kunden, die wir nicht wollen und Verhalten, das wir nicht akzeptieren.
Wie ist denn der durchschnittliche Gast von Weltweitwandern?
Den haben wir in einer Person versinnbildlicht. Die Person heißt Erna. Erna hat kein bestimmtes Alter, aber sie wohnt eher in einer Stadt, sie kauft eher bio ein und es ist ihr wichtig, was sie konsumiert. Sie ist aber durchaus preisbewusst. Die Herkunft von Produkten ist ihr wichtig. Sie ist gebildet, aber im Sinne von Herzensbildung. Sie ist neugierig und es ist schon so, dass sie beim Reisen manchmal niemanden hat, der mitfährt, vielleicht weil der Mann andere Hobbys hat und die Freundinnen halt grad kein Geld oder so. Dann fährt sie auch allein mit. Die meisten sind über 30 und unter 75.
Und in Sachen Fitness? Wie fit muss man sein?
Bei uns gibt’s auch Wanderreisen, die jeder sicher schafft. Wir haben Spaziergangreisen mit zwei bis drei Stunden Gehzeit, es gibt Genusswandern und auch anspruchsvolle Touren, zum Beispiel den Kilimandscharo oder acht Stunden Trekkingtour im Himalaya. Da muss man ein bisschen fit sein. Im Gespräch versuchen wir schon herauszufinden, wie es um die Wandererfahrung der Menschen steht.
Was ist zur Zeit am besten gebucht?
Madeira, das boomt fast mit Verdoppelung. Ein befreundetes österreichisches Paar hat dort eine Quinta mitten in einer Bananenplantage gebaut, ganz nachhaltig. Die haben ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. So eine Reise wie diese gibt es nur bei uns. Marokko, Nepal und Argentinien gehen total gut, dann auch Italien und Spanien. Wahnsinniges Wachstum hatte Georgien. Sobald man dort war oder jemanden kennt, der dort war, hört man nur Gutes. Dort gibt es tolle Küche, in der Hauptstadt Tiflis wunderschöne Gründerzeithäuser. Es gibt guten Wein und großartige Berge, außerdem ist es nicht so weit weg.
Haben Sie auch eine persönliche Wanderempfehlung in Österreich?
Ja, total viele! Ich bin Ostösterreicher, ich mag wahnsinnig gerne den Hochschwab. Da gibt’s coole Hüttenwirte, ein bisschen alternativere. Der Karnische Höhenweg, Kärnten, Osttirol… superlässig mit viel Geschichte. Die Schladminger Tauern sind ein Traum, das ganze Salzkammergut… das Tote Gebirge ist Wahnsinn, wenn man Einsamkeit sucht, da kann man tagelang unterwegs sein.
Und eine Lieblingsdestination aus dem aktuellen Katalog?
Marokko! Die Wüste ist schon der Hammer für einen Alpinbewohner, weil’s so anders ist, der volle Kontrast. Zentralasien mit Iran, Tadschikistan, Kirgistan…. das ist perfekt, wenn einem der Rest der Welt schon zu voll ist.
Ein nicht unwesentliches Merkmal von Weltweitwandern ist ja auch das soziale und nachhaltige Engagement in den Destinationen. Sie ermöglichen allen Ihren Guides beispielsweise Deutschkurse.
Ja. Da haben wir auch viel investiert. Besonders stolz sind wir aber auch auf die Weltweitwandern Academy. Wir haben jetzt 52 Guides aus der ganzen Welt, plus Universitätsprofessoren, das Rote Kreuz, Vortragende…. Wir sind insgesamt 80 Touristiker, die wir gerade zusammenbringen, damit die sich alle austauschen können. Marokko lernt von Nepal. Nepal inspiriert die Mongolei… nach solchen Workshops gibt’s dann Besuche untereinander, damit die Guides auch sehen, wie es wo anders funktioniert. Man lernt voneinander. Wir machen das jetzt seit 2006, so groß wie dieses Jahr war’s aber noch nie. Letztes Jahr waren wir mit 30 Guides in Marokko, nächstes Jahr sind wir in Madeira. Unser Merkmal ist schon, dass wir nicht einen österreichischen Guide irgendwo hin schicken, sondern dass wir in die Menschen vor Ort investieren.