Interview mit Christian Werner
Als er vor 20 Jahren den kritischen Hotelführer RELAX Guide gründete, tat Christian Werner das aus einem eigenen Bedürfnis heraus. Er war selbst immer schon sehr wellnessaffin, und da vielen Journalisten sorgfältige und kritische Recherche nicht mehr bezahlt wurde, musste er sich nach etwas Neuem umsehen. Im März 1999 erklärte Werner daher den Bademantel zur künftigen Arbeitskleidung und machte sich daran, den ersten – und bis heute einzigen – kritischen Wellnessführer für (damals noch ausschließlich) Österreich zu schreiben. Jetzt, 20 Jahre später, ist der alljährlich erscheinende RELAX Guide mit seiner Lilien-Kategorisierung die Benchmark der Branche geworden. Dass er sich damit nicht allerorts beliebt gemacht hat, und was er so alles in seiner bisherigen Karriere erlebt hat, erzählt Christian Werner im Interview der Woche.
Herr Werner, die Reaktionen von Seiten der Hotellerie waren bestimmt nicht alle nur begeistert, als der erste RELAX Guide erschien, richtig?
Es gab auch Empörung, mir ist da etwa noch eine Hotelière vom Arlberg in Erinnerung, die ins Telefon hineingebrüllt hat, warum wir schreiben, dass da so viele Motorradfahrer sind. Die waren freilich dort – wegen der tollen Kurven, aber nicht wegen dem Hotel. Wir bekamen auch Hausverbote – die haben meine Mitarbeiter rahmen lassen und im Büro aufgehängt – köstlich! Und es gab vor allem in Tirol Hotels, die uns partout nicht mochten. Die waren zwar recht geschäftstüchtig, hatten jedoch für ein feinsinnig gestaltetes Ambiente wenig übrig. Und mit unseren Eindrücken über diese Kitschburgen haben wir uns nie ein Blatt vor den Mund genommen. Da entstanden so etwas wie einseitige Feindschaften, die bis heute anhalten.
Hat man versucht, Sie zu bestechen?
Selten, aber nur in den allerersten Jahren. Der schönste Versuch kam vom Direktor eines Thermenhotels. Der schickte seine Marketingfrau und ließ verlauten: Die Bewertung müsse sich verbessern, ich dürfe es mir aussuchen. Entweder sie klagen uns oder sie machen uns in der Presse unmöglich. Oder sie zahlen uns etwas. Sage ich, man kann uns nicht klagen, weil wir uns nichts aus den Fingern saugen. In der Presse anschwärzen funktioniert auch nicht, weil die Kollegen unsere seriöse Arbeitsweise kennen. Aber das mit dem Zahlen, da sind wir gerne dabei. Der Herr Direktor möge aber bedenken, dass wir ein junges, hochmotiviertes Team sind. Erst in ein, zwei Jahrzehnten sind wir korrupt und werden dann das Hotel mit mehr Lilien auszeichnen. Im Gegenzug wollen wir dann aber einen solchen Geldbetrag, dass das gesamte Team damit den Rest des Lebens sorgenfrei in der Karibik verbringen kann.
Was war Ihr lustigstes Erlebnis in einem Wellnesshotel?
Ich war nackt. Und zwar im Dachgeschoß in der Sauna eines brandneuen Hotels, ich glaube, es war am Tegernsee. Ich ging auf die Terrasse, doch die Türe ließ sich von außen nicht mehr öffnen. Splitternackt kletterte ich über das Dach, bis ich endlich eine Luke fand, in die ich hineinschlüpfte. Ich landete etwas unsanft auf einem Berg von schmutziger Bettwäsche, vor einer Schar kreischender Mädchen in der Wäscherei!
Wie objektiv sind Ihre Tester?
Einen Motor kann man exakt überprüfen, man erhält am nächsten Tag das gleiche Ergebnis. Aber ein Hotel ist keine Maschine, sondern ein lebendiges System, das sich jeden Tag etwas anders verhält. Man braucht ja nur etwa an eine Grippewelle denken, wo die halbe Belegschaft ausfällt. Demnach muss man als Tester sauber unterscheiden zwischen Ausrutschern und Systemfehlern. Auch eine gewisse Demut gehört dazu: Das Wissen, dass man als Beobachter auch immer Teil des zu beobachtenden Bildes ist. Wie man sich also selbst im Hotel verhält, das hat natürlich auch einen Einfluss auf das Wohlbefinden, auf den ganzen Urlaub.
Sind Ihre Tester streng?
Mehr als 80 Prozent der Wellnessanbieter bestehen den Test nicht und erhalten keine Lilien, also kein Gütesiegel von uns. Ja, unsere Tests sind mit Sicherheit die härtesten der Branche, aber wir bewerten alle Häuser nach den gleichen Kriterien. Freilich könnte man die Latte auch etwas tiefer legen, aber wir wollen trittsichere Empfehlungen abgeben. Qualität, auf die sich unsere Leser absolut verlassen können.
Wie hat sich die Branche in diesen zwei Jahrzehnten verändert?
Gewaltig. Die Preise etwa haben sich mehr als verdoppelt, sie sind der allgemeinen Teuerung regelrecht davongaloppiert. Dafür hat die Infrastruktur unglaublich zugelegt. Ein Pool ist heute fast dreimal größer als vor 20 Jahren. Es gibt heute Hotelwellnessbereiche, die fast so groß sind wie eine öffentliche Therme von ehedem. Weiters: Die durchschnittliche Betriebsgröße ist auf fast das Dreifache angewachsen. In der Küche wird viel mehr fabrikmäßig Vorgefertigtes eingesetzt. Und die Mitarbeiter kommen zumeist aus dem Ausland, zumindest in sehr vielen Regionen.
Was sagen Sie zum heutigen Niveau der Branche?
Mein Gott, was haben wir früher in der Redaktion gelacht, über Hoteliers, die keine Ahnung vom Thema hatten, die „Wellneß“ (sic!) auf die Fassade geschrieben oder die Kellersauna mit der Aufschrift „Zum Spa-Resort“ beschildert haben. Das ist vorbei, die Branche hat sich professionalisiert, und man findet auch kaum noch Saunen, die von Architekten, die selbst noch nie in einer solchen waren, geplant wurden.
Aber wie sieht die Zukunft der Wellnessbranche aus?
Der große Boom ist vorbei, der Markt ist mehr als gesättigt, das bringt für nicht wenige Heulen und Zähneklappern. Wer es jedoch gut macht, der ist auf der sicheren Seite. Von den vielen Schließungen und Insolvenzen der letzten Jahre war kein Lilien-Hotel betroffen. Vorausgesetzt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben halbwegs so, wie sie sind, dann wird Wellness weiterhin stark nachgefragt werden. Was Wunder, der Stresspegel in der Gesellschaft steigt ja immer weiter an, und damit das Bedürfnis nach Ruhe und Erholung, nach Verwöhntwerden.