Für das Interview der Woche trafen wir den Journalisten Tobias Sauer (www.tobias-sauer.de) in Berlin. Der sympathische junge Mann war zuerst beim Queer Travel Magazine und danach Chefredakteur von Spartacus Traveler, dem größten LGBT-Reisemagazin Europas. Aktuell ist der Journalist als Freelancer für deutsche, österreichische und Schweizer Medien tätig. Geografisch gesehen sind Nordamerika und Südostasien seine Spezialgebiete. Uns verrät Sauer, wie er persönlich verreist und ob Urlaub in Malaysia für die LGBT-Community gerade eine gute Idee ist.
Herr Sauer, vor kurzem fand in Deutschland mit der ITB die größte Tourismusmesse der Welt statt. Als Partnerland fungierte dieses Mal Malaysia. Und dessen Tourismusminister sorgte schon bei der Auftakt-Pressekonferenz für einen Eklat. Homosexuelle gäbe es im Land nicht, meinte er auf die Frage eines Journalisten nach der Sicherheit für LGBT-Reisende. Letztes Jahr wurde ein lesbisches Pärchen ausgepeitscht, Homosexualität steht unter Strafe. Malaysia – ja oder nein?
Es gibt viele Länder, in denen die Rechtslage in Bezug auf Schwule, Lesben und andere Minderheiten sehr kritisch einzuschätzen ist. Malaysia gehört – wie wir jetzt gelernt haben – dazu. Ich find das übrigens eine der positiven Seiten der ITB: Nur wenige denken normalerweise über diese Themen nach. Jetzt aber hat man hier ein großes Event – und schon ist die Äußerung des Ministers Schlagzeile überall in den Medien. Zu Malaysia als Reiseland für westliche Touristen: Ich war im vergangenen Jahr in Malaysia und habe mich dvor Ort nicht unsicher gefühlt. Man kann vor Ort auch recht einfach Schwule und Lesben kennenlernen – und deren Geschichten sind interessant zu hören. Malaysia ist ein großes Land, und deshalb in sich vielfältig.
Sollte man Länder boykottieren, in denen die Rechtslage ungünstig oder schlecht ist?
Ich halte von generellen Boykottaufrufen nicht so viel. Als Tourist sollte man sich aber immer überlgen, wie die Sicherheitslage für einen selbst ist. In welche Situationen begibt man sich, und sind die gefährlich? Muss man zu große Kompromisse eingehen, sollte man von einer Reise besser Abstand nehmen. Aber grundsätzlich alle Länder zu boykottieren, in denen einem bestimmte Punkte der Rechtslage missfallen, schränkt einerseits die Zahl der Länder, in die man fahren kann, leider stark ein. Zweitens muss man vor Ort die Rechtslage und deren Umsetzung oft unterscheiden. Es gibt Länder, in denen es Gesetze gibt, die zum Beispiel Sex zwischen Männern verbieten, die aber nicht angewandt werden. Drittens glaube ich, dass Reisen und auch der Kontakt zur lokalen Bevölkerung auch einen Wert an sich darstellen. Kontakte bringen Wissen und Einsichten für beide Seiten. Wenn man jetzt sagt, man fährt in alle möglichen Länder nicht mehr hin, dann fallen auch diese Kontaktmöglichkeiten weg.
Aber in Malaysia wird das Gesetz ja angewandt. Im letzten Herbst wurde ein lesbisches Pärchen ausgepeitscht.
Davon habe ich auch gehört und ich finde das natürlich schrecklich. In der Zeit vor meiner Reise hatte ich solche Berichte nicht gehört. Aber ich hatte in Kuala Lumpur und auf Langkawi Gelegenheit, mit Homosexuellen vor Ort zu sprechen. Die kennenzulernen, zu hören, was die sagen, mit denen in die Bars zu gehen und was zu trinken, das war insgesamt eine interessante Erfahrung, ich glaube für alle Beteiligten. Und wenn man mit Menschen spricht, die sich für Wandel einsetzen, kann man die ja auch unterstützen. Schon alleine dadurch, dass man ihnen zuhört und sie in ihrem Engagement bestärkt. Tobias Sauer
Also sehen Sie die Chance im Dialog und in der Thematisierung?
Ich glaube, dass wir als Touristen und Reisende in dem Fall nicht die Möglichkeit haben, die Rechtslage vor Ort im Großen und Ganzen zu verändern. Ich glaube, dass es ganz gut ist, sich über sie im Klaren zu sein und sich, wenn man in solche Länder fährt, auch mit Leuten von vor Ort auszutauschen. Die lernen was von einem, man lernt was von denen und ich denke, dass sich so auch Vorurteile abbauen lassen. Und auch diese große Diskussion während der ITB hatte Malaysia so sicherlich nicht geplant. Deren Ziel war wohl eher, ein paar schöne Bilder zu produzieren und über die Strände von Langkawi zu sprechen. Die jetzige Diskussion ist ja nicht der Werbeeffekt, den sie gewollt haben. Und auch im Rahmen der ITB gab es eine Veranstaltung, bei der geflohene Homosexuelle aus Malaysia zu Wort kamen. Von daher ist ein großes Event dann auch eine Chance, auf die Menschenrechtslage hinzuweisen.
Wo fahren Sie persönlich am liebsten auf Urlaub hin?
Ich fahre schon gerne nach Asien, aber auch oft in die USA. Tobias Sauer
Was steht noch auf der Bucketlist?
Auf der Bucketlist steht noch sehr viel! Ich war noch nie auf Bali, da würde ich gerne mal hin – wobei sich die Situation in Indonesien insgesamt für Schwule und Lesben auch gerade verschärft. Ich war noch nie in Laos, das übrigens auf Platz 170 von 180 auf der Rangliste der Presssefreiheit eingestuft wird. Und ich war noch nie in Rio. Spätestens seit der Wahl des neuen brasilianischen Präsidenten sind das also leider gleich drei schwierige Fälle!
Was ist auf jeder Reise mit dabei?
Auf jeder Reise mit dabei ist, tja, das Smartphone.
Und was bringt Sie auf Reisen auf die Palme?
Ich denke, ich bin auf Reisen gar nicht so leicht auf die Palme zu bringen.
Wohin ging Ihre letzte Reise?
Zuletzt war ich in New York, Philadelphia und Washington, das war allerdings eine Arbeitsreise. Der letzte Urlaub ging nach Vietnam und Thailand.
Sie leben in Berlin. Was sollte man Ihrer Meinung nach unbedingt einmal machen, wenn man in die Stadt kommt?
An Berlin ist toll, dass die Stadt relativ groß ist und deshalb viele Möglichkeiten bietet. Jeder kann hier machen, was er oder sie will. Ich denke daher nicht, dass es etwas gibt, was man unbedingt in jedem Fall machen muss. Man kann sich stattdessen einfach die Freiheit nehmen, zu tun, wonach einem gerade ist. Wenn ich trotzdem was empfehlen soll, dann ist das das Tempelhofer Feld, also das Gelände des ehemaligen FLughafens. Auf der stillgelegten Landebahn kann man Fahrrad fahren und Inlineskaten und im Sommer stellt manchmal jemand ein Klavier hin, auf dem Pianisten in die Tasten hauen. Das ist schon etwas ganz Spezielles. Tobias Sauer